Tiefer Schmerz
chaotisch wird. Die Eagles haben ihre Rückwärtsmitteilungen eingeblendet, die Beatles haben einen schwedischen Sprecher eingespielt. Das ist Klasse.«
»Wer hat den Bus gemietet?« fragte Sara kurz.
Anders Torp sah sie bewundernd an. Sie hatte offenbar die Mauer seines Mißtrauens durchbrochen.
»Eine Frau«, sagte er. »Keine Schwedin.«
»Woher kam sie? Osteuropa?«
»Nein, dann hätte ich nicht vermietet. Da weiß man doch, daß der Bus nicht zurückkommt.«
»Sie muß doch einen Führerschein vorgelegt haben …«
»Und einen Paß«, sagte Anders Torp. »Das muß man, als Ausländer. Ich glaube, sie war Deutsche. Ich kann nachsehen.«
Er verschwand. Die Kamera schwenkte auf Sara.
Die unverkennbare Männerstimme sagte: »Yellow Submarine?«
Sara zeigte auf eine Wand der Busgarage. Die Kamera zoomte ein verblichenes Poster mit psychedelischem Muster heran, bis die Texte ›Beatles‹ und ›Yellow Submarine‹ erkennbar wurden. Dann kehrte die Kamera zu Sara zurück.
»Raffiniert«, sagte die unverkennbare Männerstimme.
»Tja«, sagte Sara und sah ziemlich zufrieden aus.
Dann kam Anders Torp aus Anderstorp zurück. Er hielt ein Blatt Papier in der Hand. Es flatterte wild im småländi schen Frühsommerwind. »Hier«, sagte er und zeigte auf das ungestüme Papier. »Führerscheinnummer und Paßnummer.«
Sara nickte und sagte: »Wir kopieren es nachher. War es eine von diesen hier?«
Sie hielt ihm die Karte mit den Fotos hin. Anders Torp nahm sich Zeit für jedes einzelne der neun Fotos. Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er.
Dann streckte Sara ihm noch zwei Fotos hin, etwas größere.
Anders Torp betrachtete das erste. Dann griff er zum zweiten, und sein Gesicht hellte sich auf wie vorher, als Yellow Submarine erwähnt wurde. »Dies hier ist ihr sehr ähnlich«, sagte er und nickte.
Sara Svenhagen machte das Daumen-hoch-Zeichen in die Kamera. Die Kamera schwankte und fiel zu Boden. Man sah noch die Sonne hinter eine Wolke huschen, bevor das Bild sich im Krieg der Ameisen auflöste.
Eine Weile war es still. Dann sagte Jan-Olov Hultin:
»Ich bin mir nicht sicher, ob die Videokamera ein richtig gutes Gerät im Zusammenhang mit einer polizeilichen Ermittlung ist …«
Sara Svenhagen machte das Daumen-hoch-Zeichen zu Viggo Norlander. Er antwortete fröhlich mit der gleichen Geste. Diesmal war keine Kamera da, die hinfallen konnte.
Es war offensichtlich, daß er einen unschätzbaren Beitrag geleistet zu haben glaubte.
Dann sagte Sara: »Die sogenannte Ninja-Feministin kann also endlich einen Namen bekommen. Magda.«
»Außerdem«, sagte Viggo Norlander, »haben wir die hier.«
Er hielt drei Fotos wie einen Fächer in die Höhe. Eins war eine richtige Fotografie – das von den Technikern gereinigte Bild aus dem Film der Naturschutzbehörde, das die Frau mit dem Handy zeigte. Die beiden anderen waren ziemlich ausgeprägte Phantombilder, also Computerrekonstruktionen.
»Diese beiden«, sagte Viggo, »wurden also von einem korpulenten Polizisten in Karlskrona in Zusammenarbeit mit der polnischen Kellnerin Jadwiga von der Stena Europe erstellt.«
Er legte eins der Phantombilder hin, behielt das andere in der erhobenen Hand und fuhr fort: »Dieser Frau vermietete Anders Torp in Anderstorp seinen Bus. Wir können davon ausgehen, daß sie die Fahrerin der Erinnyen ist.«
»Paß und Führerschein waren deutsch«, sagte Sara. »Sie sind ohne jeden Zweifel gefälscht. Könnt ihr raten, auf welchen Namen sie lauteten?«
»Nein«, sagten alle.
»Eva Braun«, sagte Sara Svenhagen.
»Leider war die Kamera kaputtgegangen, als Anders Torp das sagte«, fuhr Viggo Norlander fort.
»Miese Qualität«, sagte Jan-Olov Hultin neutral.
Da klingelte das Telefon. Hultin nahm den Hörer ab.
»Ja«, sagte er. »Ja, ja. Wieso schwierig? Aha. Okay. Gut. Danke.«
Dann legte er wieder auf und sagte: »Das war Chefkriminaltechniker Brynolf Svenhagen. Er war aufgebracht.«
»Ojemine«, sagte Jorge Chavez sardonisch und schielte auf die Uhr; der Besuch im Schnapsladen schien in immer weitere Ferne zu rücken.
Hultin sagte: »Es ist eine Antwort gekommen auf unsere Anfrage wegen des Mannes ohne Nase.«
Die aufmüpfige Versammlung lauschte plötzlich gespannt wie Kinder am ersten Schultag.
»Warum war Brunte denn aufgebracht?« fragte Paul Hjelm und erntete einen sauren Blick von Sara Svenhagen.
»Weil die Antwort ungewöhnlich diffus ist. Sie behaupten, sie hätten keine Kooperationsabsprache mit Europol.
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