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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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entschieden. Es war eine schlechte Wahl.
    Er antwortete: »Arto am Arno.«
    Dann war er genau vierzehn Minuten mäuschenstill.
    »Und jetzt?« sagte Klein-Lina. »Ist er jetzt tot?«
    Das waren die einzigen Worte, die geäußert wurden. Anja kippte die Weinflasche ein wenig an und versuchte abzuschätzen, wieviel der Gatte getrunken hatte. Als sie zu dem Ergebnis kam, daß es nicht mehr als ein Glas sein konnte, ließ sie sich klammheimlich den ganzen Rest der Flasche durch die Kehle laufen. Es dauerte genau vierzehn Minuten. Als er das Gespräch beendete, sagte sie, mit möglicherweise nicht ganz glockenreiner Aussprache: »Ich kann leider nicht mehr nach Hause fahren.«
    Worauf Arto Söderstedt mit glasklarer Logik erwiderte:
    »Wir müssen ein Faxgerät finden.«
    Die Familie begab sich im Gänsemarsch zu einem in der Nähe gelegenen Luxushotel, wo Arto Söderstedt erklärte, er sei Polizeibeamter und müsse ein Fax empfangen. Der Portier sollte seine Bereitwilligkeit schnell bereuen.
    Söderstedt rief Hultin über das Handy an und gab ihm die Faxnummer durch. Dann ergossen sich vierundsechzig Seiten aus dem Faxgerät. Der Portier dachte an Tonerpatronen und blockierte Leitungen, behielt jedoch die ganze Zeit den geschulten Gesichtsausdruck von wohlwollender Nachsicht bei. Nachdem sämtliche Blätter gesammelt und geordnet waren, bekam er zu seiner Verblüffung hunderttausend Lire in die Hand gedrückt.
    »Könnte ich dafür eine Quittung bekommen?« fragte Arto Söderstedt.
    Nachdem der Portier die erste Trinkgeldquittung seines Lebens ausgestellt hatte, verabschiedete er sich von der seltsamsten Familie, die ihm je begegnet war. Wie es richtig zugegangen war, hätte er nicht zu sagen gewußt, aber er war um hunderttausend Lire reicher.
     
    Mailand war eine Großstadt von ganz anderer Art als Florenz. Alles klang. Arto Söderstedt fädelte mit dem großen Familienauto ein und ein und schaffte es, jedesmal wieder zu exakt demselben Punkt zurückzukommen, einer stinkenden Müllverbrennungsanlage mit einer zehn Meter in den Himmel aufschießenden Flamme. Wie er die Karte auch drehte und wendete, er konnte nicht begreifen, wie es dieser verdammten Müllverbrennungsanlage immer wieder gelang, sich in das absolute Zentrum der Millionenstadt zu verwandeln.
    Dabei war Mailand eine Stadt, die wirklich ein Zentrum hatte. Es war in konzentrischen Kreisen um den majestätischen, fast grotesken Dom angelegt, zu dem er schließlich gelangte, ohne anhalten zu können. Wie ein Abgasterrorist kutschierte er umher und hatte nach vielem Wenn und Aber das große Glück, weniger als fünf Kilometer von der Polizeistation am Corso Monforte entfernt einen Parkplatz zu finden.
    Denn dorthin wollte er.
    Nach einem Fußweg, der mehr die Bezeichnung »Stadtorientierung« verdient hätte, schritt er schließlich über die Schwelle der Eingangshalle – und trat in die fünfziger Jahre ein. Ja, wirklich, es war eine Zeitmaschine. Auf irgendeine Weise war er in ein Zeitloch geraten und wurde um vier Jahrzehnte in der Zeit zurückversetzt. Ohne Zweifel befand er sich in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Strenge Männer in weißen Hemden mit schmalen schwarzen Schlipsen, Damen in Kleidern und hochhackigen Schuhen, Reihen von Schreibtischen, deren wesentliches Arbeitsgerät Bleistift und Papier waren. Und natürlich Stempel. Stempel, Stempel, Stempel. Kein Computer, so weit das Auge reichte.
    Er begab sich zu einer der Schreibtischdamen und fragte:
    »Commissario Italo Marconi?«
    Ohne aufzublicken, zeigte die Dame auf eine geschlossene Tür etwa dreißig Meter entfernt. Während er diese Strecke zurücklegte, zählte er die Schreibtische, an denen er vorüberging. Es fehlte nicht viel, und er wäre im Gehen eingeschlafen. Es war wie Schafe zählen.
    An der Tür stand tatsächlich in Mini-Buchstaben ›I Marconi‹. Kurz und bündig.
    Er klopfte und bekam ein Brummein zur Antwort.
    Er trat ein.
    War es draußen in der Bürolandschaft aus den Fünfzigern warm, feucht und staubig gewesen, so war es hier drinnen um so kühler und angenehmer. Und auf dem massiven alten Eichenschreibtisch stand ein hypermoderner Computer. Söderstedt verstand. Er hatte die twilight zone passiert und war zurück in der Gegenwart.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch war in Arto Söderstedts Alter, knapp fünfzig, und trug einen gewaltigen Schnurrbart. Der zarte Körper ließ seinen Schnauzer noch gewaltiger aussehen, wie einen enormen Propeller mitten

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