Tiefer Schmerz
im Gesicht. Söderstedt fürchtete, er könnte jeden Augenblick abheben und durchs Fenster davontuckern. Der Mann starrte den Eintretenden einen Moment lang an, als wäre dieser ein Albino-Mörder in einem sehr schlechten Gangsterfilm.
Dann leuchtete sein Gesicht auf wie eine Sonne. »I see«, sagte er, wanderte die ansehnliche Strecke um den Schreibtisch herum und streckte die Hand aus: »Mister Sadestatt from Sweden.«
»That’s right«, sagte Mister Sadestatt from Sweden.
»And you must be Italo Marconi.«
»Yes, yes. I believe you have animals who have killed one of my nastiest pimps. May we import them?«
Arto Söderstedt lachte höflich und wurde unmittelbar mit einem schwierigen Übersetzungsproblem konfrontiert. Was zum Teufel hieß Vielfraß auf englisch? Wasp? Nein, das war Hecht. Oder …?
Scheiß drauf.
»Yes«, sagte er nur. »Sie sind derjenige, der die Ermittlungen gegen den Griechen Nikos Voultsos geführt hat?«
Italo Marconis Lächeln verblaßte; seine sämtlichen Vorurteile über sozial inkompetente Nordeuropäer wurden bestätigt. Er machte eine Geste zum Stuhl gegenüber dem Schreibtisch, und Söderstedt sank darauf nieder. Oder eher: versank darin. Er war ziemlich weich.
»Das ist korrekt«, sagte Marconi. »Nikos Voultsos war ein selten unangenehmer Verbrecher. Vollkommen gewissenlos. Wir freuten uns, als er verschwand, und jetzt, wo er tot ist, freuen wir uns noch mehr.«
Der nimmt kein Blatt vor den Mund, dachte Söderstedt und fragte: »Waren Sie es, Kommissar, der die Zusammenfassung des Falles an Interpol geliefert hat, die dann nach Stockholm weitergeleitet wurde?«
»Das war ich«, nickte Marconi. »Möchten Sie einen Kaffee, Signor Sadestatt?«
»Danke, gern«, sagte Söderstedt.
»Ich werde einen kommen lassen«, sagte der Kommissar, stand auf und verließ das Zimmer. Nach einigen Minuten kam er zurück. Es sah aus, als hätte er gelacht.
»Der Kaffee kommt gleich«, sagte er, wanderte um den Schreibtisch herum, ließ sich wieder nieder, beugte sich über den Schreibtisch und fuhr fort: »Mir ist klar, daß mein Bericht dürftig erscheinen kann, aber nicht alle Informationen finden Platz in einem solchen Bericht. Ich stehe also voll und ganz zu Ihrer Verfügung; ich habe dies gerade mit meinen Vorgesetzten geklärt. Was möchten Sie also wissen?«
»War Voultsos Mafioso?«
Marconi hustete. Wie erklärte man einem Dorftrottel die nationalen Verhältnisse?
»Bei uns gibt es keine Mafia«, sagte er. »Die existiert in Sizilien. Dagegen haben wir ein paar lokale Verbrecherbanden. Unserer Einschätzung nach gehörte Nikos Voultsos zu einer dieser Banden.«
»Wie kam es, daß er eine ganze Reihe grober Verbrechen begehen konnte, ohne daß Sie ihn gefaßt haben?«
»Sie gehen ganz schön ran«, sagte Italo Marconi und betrachtete sein kreideweißes Gegenüber. »Es ist wichtig, daß Sie, was das italienische Rechtssystem anbelangt, zunächst einmal ein paar grundsätzliche Tatsachen verstehen. Man muß behutsam vorgehen und genau darauf achten, wohin man tritt. Es gibt stets eine Reihe von Rücksichten, die man in dieser oder jener Richtung nehmen muß. Ich kann darauf nicht näher eingehen. Wichtig war, daß wir Nikos Voultsos unter Beobachtung hatten.«
»Haben Sie sein Bordell beobachtet?«
Marconi lachte kurz auf. »Bordell und Bordell«, sagte er, richtete den Blick auf Söderstedt und fuhr fort: »Ich verstehe, daß Sie ungeduldig sind, Mister Sadestatt. Sie sind lange untätig gewesen und haben mit den Zehenspitzen auf der Suche nach Grünfutter in der trockenen toskanischen Erde gegraben. Und jetzt haben Sie die Chance bekommen. Sie stehen unter Dampf wie ein Drogensüchtiger nach dem ersten Schuß der Woche.«
Arto Söderstedt war nicht begeistert von Marconis Bildsprache. Ganz und gar nicht begeistert. Aber er verstand, was Marconi meinte.
Ohne die Stimme zu heben, aber mit Schnurrbartenden, die schon fast rotierten, fuhr Marconi fort: »Ihr Chef hat Sie als einen von Schwedens intelligentesten Polizeibeamten beschrieben, und ich habe keine Veranlassung, Signor Oltin nicht Glauben zu schenken. Er hörte sich an wie ein vernünftiger Mann. Er hat jedoch betont, daß Sie sich vermutlich am Anfang genauso verhalten würden, wie Sie es bisher getan haben. Hitzig. Gleich wird meine Sekretärin mit Kaffee und einer sehr kleinen Grappa kommen, um auf Ihr toskanisches Dasein anzustoßen, das auch uns hier oben im Norden als paradiesisch, wenngleich ein wenig
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