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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gegen halb fünf am Nachmittag waren im Abstand von drei Minuten eingegangen; das war also eine gute Woche bevor Nikos Voultsos starb und die Damen das Weite suchten. Einige Tage später, am Samstag, dem neunundzwanzigsten April, werden die Damen außerdem von der Ninja-Feministin vom Odenplan angerufen.
    Grand Hôtel. Wie es sich gehört. Er rief direkt an und fragte den Portier: »Können Sie mir bitte sagen, wer am 24. April und danach in Zimmer 305 gewohnt hat?«
    Am anderen Ende der Leitung war es einen Moment still. Dann sagte der Portier: »Jaha.«
    »Jaha?«
    »Offenbar ist er abgehauen. Ich erinnere mich nicht an ihn persönlich. Er hat eingecheckt unter dem Namen Marcel Dumas, französischer Staatsbürger.«
    »Abgehauen? Was bedeutet das?«
    »Zuweilen verlassen Gäste das Hotel spontan. Deshalb nehmen wir neuerdings immer die Kreditkartennummer als Sicherheit.«
    »Statt Paß?«
    »Genau.«
    »Ihnen liegt also kein Paß vor?«
    »Nein, aber wir haben die Nummer seiner Visakarte.«
    »Gäste können also verschwinden, ohne daß es der Polizei gemeldet wird, weil Sie die Möglichkeit haben, die Bezahlung über die Kreditkartennummer einzuziehen?«
    »So ist es. Die Polizei ist auch so schon überlastet.«
    »In der Tat«, sagte Paul Hjelm. »Aber das heißt, daß Sie das Gesetz in die eigenen Hände nehmen. Und wenn ihm nun etwas passiert wäre? Wenn er, sagen wir, von Vielfraßen gefressen worden wäre?«
    Der Portier schwieg.
    Hjelm fuhr fort. »Und wann war das?«
    »Am fünften Mai. Er kam am Sonntag, dem dreiundzwanzigsten April an. Am Abend des vierten Mai, Donnerstag, begannen wir mißtrauisch zu werden. Er hatte sich da vierundzwanzig Stunden nicht gezeigt. Als er die zweite Nacht fernblieb, haben wir sein Zimmer geräumt und sein Konto mit der Rechnung belastet. Zwölf Nächte. Die Rechnung belief sich auf dreiundsechzigtausend Kronen.«
    »Dreiundsechzigtausend?«
    »Ja.«
    »Dann verstehe ich, daß Sie keine Meldung bei der Polizei gemacht haben.«
    Erneutes Schweigen.
    »Nun gut. Kann ich bitte die Nummer der Visakarte bekommen?«
    »Die kann ich Ihnen nicht ohne weiteres geben.«
    »Ich bin Polizeibeamter, zum Kuckuck.«
    »Wie soll ich das wissen? Ehrlich gesagt: Nachlässiger Umgang mit Kreditkartennummern wird der Untergang der Zivilisation werden. Wir sind instruiert worden, mit Kreditkartennummern äußerst sorgfältig umzugehen.«
    »Okay«, sagte Paul Hjelm und dachte über diese Variante des Harmageddon nach; es war vielleicht nicht ganz unberechtigt. Schon jetzt zirkulierte eine unfaßbare Menge von Visa- und American-Express-Nummern zum allgemeinen Gebrauch im Internet.
    Ihm fiel schnell eine Lösung ein: »Sie bekommen von mir eine Faxnummer. Dann können Sie bei der Auskunft nachprüfen, daß es sich um eine Polizeinummer handelt. Reicht das?«
    Der Portier überlegte.
    Dann sagte er: »Das reicht.«
    Paul Hjelm diktierte ihm die Faxnummer und fuhr fort:
    »Was ist mit den persönlichen Sachen des Gastes geschehen?«
    »Sie wurden in seinen Koffer gepackt und ins Magazin gestellt.«
    »In welches Magazin?«
    »Wir haben ein Magazin für zurückgelassene Gegenstände. Wenn nach ein paar Monaten niemand etwas von sich hat hören lassen, schenken wir die Sachen einer Hilfsorganisation.«
    »Was ist im Zimmer zurückgelassen worden?«
    »Das weiß ich nicht. Ich war mit der Angelegenheit nicht befaßt.«
    »Und dieses Magazin befindet sich also im Grand?«
    »Ja, im Keller.«
    »Der Koffer wird im Laufe des Tages abgeholt.«
    »Ausgezeichnet«, sagte der Portier.
    »Nur für die Hilfsorganisationen nicht«, sagte Paul Hjelm. »Ich schicke Ihnen per E-Mail ein JPEG-Bild von einem Gesicht. Ich möchte Sie bitten, dieses Bild so schnell wie möglich Ihrem gesamten Personal zu zeigen, um zu prüfen, ob es den verschwundenen Gast von Zimmer 305 darstellt. Wie ist Ihr Name?«
    »Anders Grab.«
    »Wie passend«, sagte Paul Hjelm. »E-Mail-Adresse?«
    Er bekam sie und sagte abschließend: »Schicken Sie das Fax sofort herüber, dann schicke ich Ihnen genauso schnell das Bild.«
    Anders Grab war offensichtlich ein tüchtiger Portier, denn schon nach zwei Minuten knarrte Pauls Fax los. In diesen zwei Minuten hatte Paul Hjelm Nikos Voultsos’ Gesicht weggeschickt und außerdem noch über die zunehmenden Risiken in der digitalen Gesellschaft nachgedacht. Im Grunde hatte Grab recht, war aber ein wenig inkonsequent gewesen. Hjelm hätte ja keineswegs Polizist zu sein brauchen. Eine ganze Menge

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