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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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07.00 Uhr in Gdynia ankam. Diese beiden Alternativen mußten überprüft werden.
    Sara hätte dabei gern Unterstützung gehabt und fand Kerstin Holms Abwesenheit für einen kurzen Augenblick ein wenig unverantwortlich. Das war natürlich eine total egoistische Auffassung; sie legte sich auch schnell wieder. Statt dessen rief Sara ihren alten Kompagnon aus der Abteilung für Pädophilie an, den Fels in der Brandung, an dem man Halt finden konnte.
    »Ja?« antwortete Gunnar Nyberg.
    »Bist du im Hause?« fragte Sara. »Ich könnte mal kurz Hilfe brauchen bei einer Sache.«
    »Nein, Sara«, sagte Nyberg ungewöhnlich kurz. »Ich bin gerade etwas beschäftigt. Ich rufe in ein paar Minuten zurück.«
    Dann war er weg. Sie verfluchte die Erfindung des Mobiltelefons und legte auf.
    Gunnar Nyberg klappte sein Handy mit einem lauten Klicken zusammen, schob es in die Innentasche seines beigefarbenen Lumberjacks und hoffte, daß es heil bliebe. Außerdem wollte er zu seiner Verabredung am Abend – nicht ›date‹, er weigerte sich, es ein ›date‹ zu nennen – ungern mit Schrammen und blauen Flecken erscheinen. Das würde auf eine Dozentin für slawische Sprachen keinen zukunftsträchtigen Eindruck machen.
    Er seufzte tief und blickte sich in dem schäbigen, von Biergestank erfüllten Kellerloch am Rande von Åkersberga um. An der einen Betonwand hing eine schwedische Fahne, an der anderen eine Naziflagge, und im Innern des rechten Winkels, den die beiden Flaggen bildeten, standen vier massive Skinheads mit massiven Baseballschlägern.
    Und hinter ihm lag eine Tür in Trümmern.
    »Du hast die Tür kaputt gemacht, Scheißbulle«, brüllte einer der Skinheads.
    »Außerordentlich bedauerlich«, sagte Nyberg weltmännisch. »Aber ihr hättet sie öffnen sollen, Jungs. Ich habe doch gehört, daß ihr da wart. Obwohl ihr versucht habt, euch zu verstecken wie kleine Pfadfinderinnen.«
    Ein Murren ging durch die Reihe.
    Er fuhr fort: »Ich suche Reine Sandberg. Ist er hier? Ich will nur mit ihm reden.«
    Der am nächsten stehende Skinhead ging wild entschlossen zum Angriff über. Er schwang mächtig seinen Baseballschläger. Gunnar Nyberg mochte das nicht. Er hatte sich geschworen, im Dienst nie mehr Gewalt anzuwenden. Aber jetzt mußte es wohl erlaubt sein.
    Mit einem gutgezielten Tritt in den Bauch schickte er den Skinhead gegen die Betonwand. Die drei anderen zogen sich ein Stück zurück. Der Getretene krümmte sich in Embryonalhaltung und wimmerte ein wenig.
    »Ich will euch nicht weh tun«, sagte Gunnar Nyberg zu den muskelbepackten und adrenalinprallen Skinheads, und aus dem Mund der meisten Menschen hätte diese Äußerung überambitioniert geklungen.
    Nicht so aus Gunnar Nybergs.
    Er trat einen Schritt näher und fuhr fort. »Hört her, Jungs. Jetzt seid mal nett zu einem alten Onkel. Ich bin schwedisch zurück bis ins vierzehnte Glied. Mein Vorfahr hat zusammen mit Erik dem Lispelnden und Lahmen rohe Aale verspeist. Ist einer von euch Reine Sandberg?«
    Die drei noch stehenden Skinheads blickten sich an. Dann legten sie ihre Baseballschläger auf den Boden, und der größte von ihnen sagte. »Das bin ich. Was willst du?«
    »Hast du gestern abend auf dem Südfriedhof jüdische Grabsteine zerstört?«
    Reine Sandberg warf sich über sein Schlagholz und holte zu einem mächtigen Schlag gegen Gunnar Nyberg aus. Nyberg seufzte und fing ihn ab. Er glitt um ihn herum und wand ihm den Schläger aus der Hand. Dann drückte er ihn nach unten, so daß er, den Baseballschläger im Schritt, auf diesem saß, schubste ihn so gegen die Betonwand und hob das ganze Paket mit dem Baseballschläger als Hebel in die Höhe. Reine Sandberg schrie laut auf.
    Gunnar Nyberg sagte zu den beiden noch stehenden Skinheads: »Seid so nett und laßt uns einen Moment allein.«
    Das taten sie. Und zwar ziemlich schnell.
    »Ich habe es auf die freundliche Art versucht«, sagte Gunnar Nyberg und zog den Schläger noch ein Stück weiter an. »Wir versuchen es noch einmal. Dein bester Kumpel heißt Andreas Rasmusson, nicht wahr?«
    Nyberg zog noch ein Stück an.
    »Ja«, sagte Reine Sandberg.
    »Ausgezeichnet. Ihr beide und noch ein paar habt gestern abend auf dem jüdischen Friedhof gesoffen und Grabsteine zerschlagen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Gut. Was habt ihr da gesehen, was dazu geführt hat, daß Andreas Rasmusson, achtzehn Jahre alt, jetzt in der Notaufnahme der Psychiatrie liegt, während du, Reine Sandberg, vierundzwanzig, Baseballschläger

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