Tiefer Schmerz
Information wurde ziemlich locker weitergegeben. Aber nicht die Kreditkartennummer. Da handelte es sich ja auch um das Wichtigste auf der Welt. Geld. Man hatte es unterlassen, das Verschwinden eines Gastes bei der Polizei zu melden, um ungestört dessen Konto mit Dreiundsechzigtausend belasten zu können, aber der Polizei hatte man die Nummer nicht geben wollen.
Es gab da ein paar ziemlich interessante Konsequenzen, über die man sich Gedanken machen konnte.
Das Fax war da. Die Nummer der Visakarte in Paul Hjelms Hand. Er nahm Kontakt mit dem schwedischen Büro von Visa auf, das sich mit Informationen über den Karteninhaber wieder melden wollte.
Er wandte sich von neuem der umfangreichen Liste mit Telefonnummern zu. Nach einer ereignislosen halben Stunde klingelte sein Telefon. Er nahm ab.
»Hallo, ist da Kriminalinspektor Hjelm?« sagte eine Frauenstimme.
»The one and only«, sagte Hjelm anspruchslos.
»Hier ist Mia Bengtsson. Ich arbeite als Bedienung im Grand Hôtel.«
»Hallo«, sagte Hjelm erwartungsvoll.
»Hallo. Anders hat mir das Bild von diesem Mann gezeigt. Das ist er.«
Paul Hjelm spürte einen tiefen inneren Frieden. Er wartete auf die Fortsetzung.
»Er hat mich ein paarmal angetatscht, wenn ich was aufs Zimmer gebracht hab. Und in der Bar unten hat er mich auch angemacht. Sogar im Französischen Speisesaal.«
»Es handelt sich also um den Gast in Zimmer 305 zwischen dem dreiundzwanzigsten April und dem fünften Mai?«
»Ganz genau. Luxusfixer. Mit Kokainringen um die Nasenlöcher wie ein Popstar.«
»Sie können ihn ruhig weiter anschwärzen. Er ist tot.«
»Au weia. Man soll ja nicht schlecht von den Toten sprechen …«
»Dann soll man erst richtig loslegen«, sagte Paul Hjelm, um ihre Zunge zu lockern.
»Jaja. Ich würde ihn als einen ungewöhnlich widerwärtigen Typ bezeichnen, ganz einfach. Wir sehen solche Leute manchmal im Grand. Drogenleute haben ja ziemlich viel Geld. Besonders beim Zimmerservice war es unangenehm; dann ist man ja allein im Zimmer des Gastes. Ich versuchte, mit ihm französisch zu sprechen, aber er verstand kein Wort, faßte mir nur an die Brüste und lachte ekelhaft. Der war kein Franzose.«
»Nein«, sagte Paul Hjelm. »Franzose war er nicht.«
»Viel Geld. Warf damit um sich. Einmal hab ich gesehen, wie er einen Tausender in Streifen riß. Nur um zu zeigen, wie cool er war. Es waren eine Reihe von Frauen auf seinem Zimmer. Ich bin ziemlich überzeugt davon, daß es Prostituierte waren.«
»Waren Sie es, die bemerkt hat, daß er verschwunden war?«
»Ich habe jedenfalls der Direktion mitgeteilt, daß das Zimmer unbenutzt war. Was danach passierte, weiß ich nicht. Er war nicht da, als ich am sechsten meine Schicht anfing. Das Zimmer war gemacht und leer.«
»Möchten Sie sonst noch etwas sagen?«
»Nicht direkt. Aber ich kann nicht behaupten, daß mir sein Tod leid tut.«
»Vielen Dank für die Hilfe, Mia. Tschüß dann.«
»Tschüß.«
Paul Hjelm saß ganz still. Die Verbindung zwischen Nikos Voultsos und Slagsta war da. Jetzt war sie eine Tatsache. Als ob es mit Ghiottone nicht gereicht hätte. Paul Hjelm lachte laut. Das hatte er auch getan, als Arto Söderstedt aus der Toskana anrief und von Vielfraßen und wolverines und ghiottini erzählte.
Ein Bild von Nikos Voultsos’ Mörder begann sich abzuzeichnen. Es war facettenreich.
Einen dem Verbrechersyndikat Vielfraß, Ghiottone, angehörigen Mann nach Skansen zu jagen und ihn zu den Vielfraßen hineinzuschicken, war ausgesprochen subtil. Ein sehr handfester Gruß nach Mailand. Möglicherweise hatte man nicht eingeplant, daß der Körper des Mannes die Vielfraße mit so viel Drogen versorgen würde, daß sie ihn nahezu spurlos beseitigten. Es fehlte ja nicht viel, und er hätte überhaupt nicht identifiziert werden können. Das war der erste Aspekt. Der Gruß nach Mailand.
Das zweite war der Metalldraht im Gehirn, der mehr in die Hirnrinde des Hirnforschers Leonard Sheinkman zu gehören schien. Doch dessen Rolle blieb dunkel. Deutsches Tagebuch mußte gelesen werden. Aspekt zwei also: Metalldraht im Gehirn. Auch ein Gruß? Gehörten diese Grüße zusammen? War dieser Gruß ebenfalls an Mailand gerichtet?
Ein dritter Aspekt hatte sich in der U-Bahn-Station Odenplan gezeigt, aber genauso in Skansen und auf dem Südfriedhof: maßlose Grausamkeit und ein hohes Maß an Geschicklichkeit in der edlen Kunst, einen Gegner unschädlich zu machen. Weiblich noch dazu, was trotz allem ziemlich ungewöhnlich
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