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Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Kratzer war schwarz behaart und hatte acht Beine. Und er
     krabbelte. Genau in meine Richtung. Und ich wusste sofort: «Einer von uns muss sterben, und ich bin es hoffentlich nicht.»
     Ich rief nach Falk, und meine Stimme, wie ich zugeben muss, klang nicht viel charmanter als der Topfkratzersound der Riesin
     im Nylonkittel. Falk stürzte in die Küche, ehrlich besorgt, und dachte wohl, ich hätte mir kochendes Wasser übergekippt oder
     wenigstens in die Stromleitung gefasst. Dass das Unglück dann nur in einem ungelogen handtellergroßen Riesenviech, einer Botin
     des Satans, einer ekligen, fiesen Spinne, bestand, brachte ihn zum Lachen. Ich bin durchaus nicht hysterisch. Hysterisch sein
     heißt, nicht mehr angemessen zu reagieren. Ich reagierte sehr angemessen, als ich mich auf einen Küchenstuhl stellte und kreischte,
     während das schwarze Übel seine acht Greifer nach mir ausstreckte. Bei Schnaken oder Schneidern sage ich gar nichts, die sind
     strohdumm, und ich bin ihnen evolutionsgeschichtlich überlegen, die klopfe ich platt mit dem Hausschuh, oder ich sauge sie
     auf, aber bei Spinnen ist das etwas anderes. Die sind schlau. Sie sind mir intellektuell und an Boshaftigkeit überlegen. Sie
     warten, bis |71| ich alleine bin, bis ich nichts ahne und mich sicher fühle. Und dann, wenn Rettung nicht in Sicht hin, dann kommen sie heraus
     aus ihren Verstecken, in denen sie mir aufgelauert haben, und quälen mich.
    Ein paar Mal habe ich alleine versucht, eine zu erwischen, aber die Gänsehaut an meinem Nacken war so pockig und kalt und
     starr, dass ich mich kaum bewegen konnte, und bis ich dann den Staubsauger hervorgekramt hatte und mich mit eingeschalteter
     Düse wie eine Jedi-Ritterin mit dem Laser-Schwert den Viechern näherte, waren die längst weg, zurück in ihre unterirdischen
     Löcher und lachten sich da scheckig über mich. Ja, ich glaube sogar, dass alle diese Missgeburten der Evolution ein geheimes
     Netzwerk haben und mich globusweit verfolgen. Die Existenz von Spinnen ist für mich der sichere Beweis dafür, dass Gott ein
     Mann sein muss. Einer Göttin wäre etwas anderes eingefallen, um Schädlinge im Garten zu bekämpfen.
    Ich stand also auf dem Küchenstuhl und schrie, und Falk zog lässig den Schuh aus, warf ihn in die Luft, fing ihn an der Ferse
     wieder auf, grinste, sagte: «Ruhig, Biggimaus, ich rette dich», kniete nieder und – da wollte ich nicht hinsehen. Ich hörte
     nur dieses ganz bestimmte Geräusch, dieses «matsch», wenn ein großer Gegenstand auf etwas niedersaust, das von acht Beinen
     abgefedert wird. Damit könnte ich glatt bei «Wetten dass» auftreten: Ich wette, dass ich am Geräusch erkenne, ob mein derzeitiger
     Begatter und eventueller späterer Gatte Falk eine Spinne oder etwas anderes, in der Konsistenz |72| Vergleichbares, mit dem Schuh zerpratscht. Ich hielt mir die Hände vor die Augen, «wegwischen, wegwischen», rief ich, und
     Falk war so nett.
    Als ich mich wieder traute hinzusehen, beerdigte er die Teufelsbrut gerade in ein Zewawischundweg gewickelt im Kompost. «Eigentlich
     bin ich ja dafür da, Leben zu retten», sagte er, Falk war nämlich Assistenzarzt. «Hast du ja: meins», säuselte ich, und er
     lächelte mich triumphierend an: «Das war die Strafe für die Bubis an der Kirche. Die kriegen doch diese Woche garantiert keinen
     mehr hoch.» Ich sah das ein und schämte mich pflichtschuldig. Aber nur ein bisschen.
    Wie das bei Männern und Triumphen so ist: Sie strapazieren sie einfach zu sehr. Falk sonnte sich in seiner Heldentat bis zum
     Abend, erzählte mir immer wieder, wie er sich herangepirscht und das Großwild auf dem Küchenfußboden erlegt hatte. Dabei hielt
     er seine Hände vor sich, als hätte er gerade einen Bären niedergerungen und bewunderte sie, während er mich wortgewaltig darüber
     aufklärte, dass ich da mit ihm einen ganz tollen Hecht, einen Beschützer in Wildnis und Großstadt, an Land gezogen hätte.
     Mit einem irren Indiana-Jones-Blick, der mir sagen sollte: «Baby, ich bin ein Mann, dir damit von vorneherein genetisch überlegen,
     und deshalb gehört uns auch die Weltherrschaft», bugsierte er mich Richtung Schlafzimmer. Und weil ich weiß, dass das wiederspruchslose
     Hinnehmen solchen Wunschdenkens von Männern in der Regel mit getragenen Colakästen, angedübelten Regalen und gut geleckten |73| Mösen belohnt wird, ließ ich ihn reden und lächelte milde.
    Falk warf mich aufs Bett, und ich bemühte mich, nicht zu

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