Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)
seine Zeit auf dem Tennisplatz mit alternden Frauen, seltener mit Männern. Seinen ewigen Schülerinnen war gemeinsam, dass sie nie ein Talent für Tennis gehabt hatten und es auch niemals lernen würden. Er versuchte mit rührender Geduld, ihnen eine passable Rückhand beizubringen. Seine freundliche und lachende Unbekümmertheit war die eines ewigen Jünglings, obwohl er schon nahe am Pensionsalter war. Er befolgte strikt die Regeln, nach denen er gelernt hatte, bequem zu leben, und die er niemals in Frage gestellt, geschweige denn aufgegeben hätte. Egal was auf ihn zukam, er fand immer ein Argument und den passenden Weg, nicht von seinen Maximen und Ansichten abrücken zu müssen. Die Frauen flogen auf ihn wie Fliegen auf einen Haufen frischen Pferdemists. Dafür konnte er nichts, aber die Männer nahmen es ihm trotzdem übel. Und zu ihrem Verdruss fuhr er auch noch einen Porsche.
Er hatte nur zwei winzig kleine Flecken auf seinem feinen Anzug. Wenn in seiner Gegenwart die Worte ›Schlüpfer‹ oder ›lecker‹ fielen, dann war für ihn Feierabend. Er meldete sich einfach ab aus dem Kreis seiner Verehrerinnen und zog sich, wer weiß wohin, zurück. Seine Schrullen machten ihn für Jung nur noch sympathischer.
Ja, er wusste jetzt, wohin es seine Frau vertrieben hatte. Er konnte sich nur nicht mehr daran erinnern, wo genau an der Algarve der Aldiana-Club lag. Aber das würde ihm schon einfallen. Außerdem gab es nichts Leichteres, als einen Aldiana-Club ausfindig zu machen.
Er holte sich eine weitere Tasse Kaffee aus der Küche und nahm die Zeitung mit auf die Terrasse. Sein Blick fiel auf die dicken Lettern der Titelzeilen: ›Unschuldige, kleine Engländerin entführt! Wer tut so was ? ‹ Das fragte er sich als Ermittler jeden Tag. Die Zeitung war von gestern. Er las den kurzen Text durch. Er brachte nichts Neues, nur das, was sie schon von zu Hause wussten. Aber der Medienrummel hatte eine Intensität und Aufgeregtheit erreicht, die zu nichts nutze war. Was hätte er sich an der Stelle seiner portugiesischen Kollegen gewünscht? Ganz sicher Ruhe und keinen Lärm, der bei der Arbeit nur störte. Die Öffentlichkeit hatte zwar Anspruch auf Information, aber nicht auf Dabeisein. Auch er hatte in seinem Berufsleben bitter erfahren müssen, dass seine Kräfte auf abwegigen Nebenkriegsschauplätzen verschlissen worden waren, Kräfte, die er dringend für das gebraucht hätte, wofür er bezahlt wurde. Er schüttelte den Kopf und legte die Zeitung beiseite.
Svenja
Es tat ihr leid. Aber einer musste ja dem drohenden Fiasko ein Ende bereiten. Tomas war in diesen Dingen so unbeholfen. Wenn er Urlaub hatte, dann glaubte er, alle anderen hätten sich automatisch danach zu richten und sich anzupassen. Wenn etwas dazwischenkam, dann fing er an zu denken und zu analysieren. Sein ewiges Argumentieren ging ihr schrecklich auf die Nerven. Konnte er nicht einfach mal spontan sein und aus dem Bauch heraus das Richtige tun? Er musste doch sehen, dass dieser versoffene Gigolo und Expilot von nebenan nur störte. Dieser Typ gehörte zu der Sorte Männer, die nie aus der Pubertät herauskamen. Sie machten daraus eine Weltanschauung und drängten sie ihrer Umgebung auf, besonders den Frauen, ob die nun wollten oder nicht. Dass diese großen Bubis straflos in der Gegend herumlaufen durften, war an sich schon ein Skandal. Und dass ihr Mann dabei noch mitmachte, empfand sie als Zumutung, ja, sogar als Beleidigung.
Tiny, welch kindisch-affektierter Name angesichts seiner Statur, so unmöglich wie er selbst. Und diese affige Ray Ban Aviator in der Knopfleiste seines Polohemdes! Sah er nicht in den Spiegel? Er trug zwar eine Rolex, aber er hätte dringend zum Friseur und zur Fußpflege gemusst. An seinem Hemd fehlte ein Knopf, und wenn er so weitermachte, hätte er bald einen Bierbauch und seinen ersten Herzinfarkt. Wahrscheinlich litt er an Bluthochdruck. Natürlich war er nicht verheiratet und hatte auch keine Frau, höchstens eine Gespielin, wahrscheinlich irgendwo ein Kind, um das er sich einen Scheißdreck kümmerte. Sie ordnete ihn in die Kategorie ›hyperaktive Typen, die mit einem ausgeprägten ADS geschlagen sind‹. Denen war so einfach nicht beizukommen. An Urlaub war in deren Nachbarschaft gar nicht ernsthaft zu denken. Sie waren eine Zumutung, und so mussten sie behandelt werden.
Und dass Männer bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit zur Flasche greifen mussten, fand sie auch unmöglich. Man kommt gerade
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