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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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eingeladen hätte, dann wäre jetzt alles in Butter. Purer Zufall. Oder auch Pech, wie du willst. Wo bleibt da der Verstand, Herr Oberkriminalrat?«
    »Das frage ich dich, Tiny. Wo war dein Verstand, als dir klar geworden war, dass du eine Leiche am Hals hattest?«
    »Da sagte mir mein Verstand, dass meine Geschichte die verstopften Ohren von übernächtigten portugiesischen Polizeibeamten gar nicht erreicht hätte.«
    »Bravo. Sie hat ja sogar Mühe, die offenen Ohren eines wachen Deutschen zu erreichen.«
    »Siehst du, also doch.«
    »Nein. Eben nicht. Jetzt klingt sie mit jeder Minute, die vergeht, immer unmöglicher. Du wirst mit jeder Minute unglaubwürdiger. Und du lädst mit jeder Minute immer größere Schuld auf dich.«
    »Schuld? An was denn? Was habe ich denn getan?«
    »Du deckst die Täter, und du behinderst die Arbeit der Polizei. Den Diebstahl der Weinkisten können wir mal vergessen, spielt sowieso keine Rolle mehr.«
    Es entstand eine längere Pause. Jung atmete durch.
    »Dann gehen wir eben jetzt zur Polizei«, gab Tiny, sichtlich abgekühlt, zu bedenken. »Du bist ein Kripo-Mann. Dir werden sie zuhören und glauben.«
    »Der Kripo-Mann wird dir jetzt mal ganz genau sagen, was sie tun werden.« Jung erregte sich erneut. »Sie werden dich einbuchten wegen des dringenden Verdachts auf Entführung und Ermordung des kleinen Mädchens. Deine Geschichte wird zwischen den Mühlsteinen von Politik, Justiz, Medien und Polizei zu Brei zerquetscht werden. Alle werden mit dir als Täter vollauf zufrieden sein. Keiner verliert sein Gesicht. Alle sind happy. Sie werden dir einen Seelenklempner auf den Hals schicken. Der wird dich auseinandernehmen, bis nichts mehr von dir übrig bleibt. Er wird dein promiskes Sexualleben, deine verkorkste Ehe, ein gestörtes Verhältnis zu Kindern aufdecken und auswerten. Zu deinen Ungunsten, darauf kannst du dich verlassen. Und ein paar frühkindliche Absonderlichkeiten werden bei dir auch noch zu finden sein. Auch deine egoistische und martialische Vergangenheit spricht nicht gerade für dich. Als Kinderschänder und als Schieber auf dem einschlägigen Pornomarkt würdest du als alternder, müßiggehender Nichtsnutz ebenfalls eine passable Figur abgeben. Du bist der ideale Täter. Und das alles bei einer momentanen Faktenlage, die nur gegen dich spricht. Das sagt dir ein Kripo-Mann, ein Beamter, um mal in deinem Jargon zu bleiben.«
    Jung machte eine Pause. Über seiner Erregung waren die wichtigsten und drängendsten Fragen noch gar nicht gestellt worden. Wer hatte den Tod des Mädchens zu verantworten, und wer konnte diesen perversen Plan zur Entsorgung der Leiche gefasst haben? Er glaubte Tiny, gerade weil er so ein Hornochse war. Weil nur so ein Prolet und Stammtischredner sich zum Retter einer Frau aufschwingen konnte und nicht begriff, dass er eine Straftat deckte. Wenn die Eltern die Täter waren, was immer auch passiert sein mochte, dann war die Position, die sie aufgebaut hatten, sehr schwer zu erschüttern, vor allem vor dem Hintergrund der in Stellung gebrachten Autoritäten und im Gegensatz zu der lächerlichen Story von Tinys sexuellem Blackout, die ihn eher verdächtig machte, als dass sie ihn entlastete. Die Tötung des Mädchens von Elternhand schien für Außenstehende außerhalb jeder nur denkbaren Möglichkeit.
    »Gegen die Eltern hast du keine Chance«, konstatierte Jung brutal.
    »Aber sie gegen mich auch nicht«, erwiderte Tiny mit trotzigem Stolz in der Stimme. »Ihre Hände sind gebunden. Sie können nichts machen.«
    Tinys Logik wirkte auf Jung abkühlend und entlastete ihn. Er begann, seine Gedanken zu sortieren und in ruhigere Bahnen zu lenken.
    »Und außer dir und den Eltern weiß keiner, was passiert ist«, stellte Jung nüchtern fest. Er merkte deutlich, dass er schon ein Teil dessen war, zu dem er nie hatte werden wollen. Aber er fühlte sich Tiny irgendwie verpflichtet. Es war ihm unangenehm, das zugeben zu müssen. Aber wenn er ehrlich war, so musste er einräumen, dass auch er das ein oder andere in seinem Leben getan hatte, das nicht ganz koscher gewesen war. Nur, der vorliegende Fall hatte eine gänzlich andere Dimension als die Dummheiten, lässlichen Sünden, Notlügen und kleinen Betrügereien, an die er sich erinnerte. Zudem war er im Urlaub und wollte sich vom Polizistendasein erholen. Dennoch fühlte er sich gedrängt, Tiny zu helfen. Er war kein schlechter Kerl. Er war hilfsbereit. Er selbst hatte das am eigenen Leib erfahren. Jung

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