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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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gut so. Bist du jetzt ruhiger?«
    Jung ging nicht weiter darauf ein.
    »Nur du allein findest sie wieder, richtig?« Jung wunderte sich, dass ihn diese Ungeheuerlichkeit völlig kaltließ.
    »Ja. Nur ich kenne jeden Baum und Strauch, jede Fahrspur, jeden Stock und jeden Stein da draußen.«
    »Jeden?«
    »Na ja, fast jeden. Es reicht jedenfalls.«
    »Hast du keine Angst, dass jemand sie findet?«
    »Wer denn? Hast du irgendjemanden in dieser Einöde gesehen?«
    »Ziegenhirten.«
    »Die haben ihre Trampelpfade. Die verlassen die nicht.«
    »Woher weißt du das alles so genau?«
    »Von meinen unzähligen Durchschlageübungen.«
    Der Barmann brachte ihnen eine neue Lage Schnaps. Sie tranken, ohne zu zögern.
    »Durchschlageübungen, ah ha.« Jung dehnte seine Worte übertrieben lange aus.
    »Wir übten in der Einöde das Überleben hinter den feindlichen Linien nach einem möglichen Abschuss. Wohl gemerkt, ohne fremde Hilfe, ganz auf uns allein gestellt.«
    »Und? Wie viele Tage habt ihr überlebt?«
    »Drei. Dann holte uns der Hubi an einem verabredeten Treffpunkt wieder raus.«
    »Hübsche Übung.«
    »Ja. Hat Spaß gemacht, vor allem im Sommer, bei 40 Grad und mehr. Ich kenne die Gegend von unzähligen Überflügen. Einen davon hast du heute mitgemacht.«
    »Hat sich seit damals etwas verändert?«, fragte Jung gelangweilt.
    »Nein. Ich kenn noch heute jede Korkeiche und könnte dir sagen, wann sie das letzte Mal geerntet worden ist.«
    »Dann ist ja alles in bester Ordnung.« Jungs Emotionslosigkeit brachte Tiny zum Schweigen.
    Jung sah sich in der Bar um. Die Situation kam ihm absurd vor. Er lächelte bei dem Gedanken, welche Aufregung Tinys Geständnis gestern noch in ihm ausgelöst hatte. Er spürte heute absolut nichts mehr davon. Er wollte zurück ins Ferienhaus, ins Bett und schlafen.
    »Ich nehme einen letzten Schnaps. Du auch?«
    Tiny nickte zustimmend. Jung winkte dem Barmann und zeigte pathetisch auf ihre Gläser.
    »Ich bezahle. Und dann fahren wir«, entschied Jung.
    Tiny nickte und schwieg. Der Barmann kam mit den Gläsern. Jung bezahlte, und sie stürzten den Tresterbrand hinunter. Als Jung sich erhob, merkte er, dass er angetrunken war. Er kam nur wankend auf die Beine. Der Gang zum Auto kostete ihn Überwindung. Seine Knochen taten ihm weh, aber er wäre nie auf die Idee gekommen, sich darüber zu beklagen.
    Als sie die Stadt verlassen und, an der blitzsauberen Kaserne vorbei, die ersten Weinfelder passiert hatten, senkte sich die Melancholie der Landschaft doppelt schwer auf Jung herab.
    »Hast du Musik im Auto?«, fragte er Tiny.
    »Klar. Was magst du? Tom Jones, James Brown, George …«
    »Schon gut«, wiegelte Jung ab. Er dachte an etwas anderes, an Tschaikowsky, Dvo ř ák, Mussorgski, an diese Musik-Giganten aus dem wilden Osten. Ex oriente lux, erinnerte er sich. Ihre Musik klang ihm in den Ohren, und ihr schwerblütiger, gewaltiger Enthusiasmus legte sich ihm aufs Gemüt. Sie führte ihn durch ›Das große Tor von Kiew‹ geradewegs in die ›Neue Welt ‹ , in der er noch nicht gewesen war und die jetzt auf ihn wartete. Er stellte die Sitzlehne zurück, zog sich das Ballcap über die Augen und schlummerte ein.
     
    *
     
    »Wach auf. Wir sind da.« Tiny stieß Jung mit dem Ellenbogen in die Seite. Jung richtete sich verdattert auf und stellte die Sitzlehne hoch.
    »Was willst du nun tun, Tomi?«, fragte Tiny.
    »Ich mache jetzt Urlaub, die paar Tage, die mir noch bleiben.«
    »Und dann?«
    »Dann fliege ich nach Hause und gehe wieder an die Arbeit«, sagte Jung unbedarft. »Hast du vielleicht ’ne Idee, wie ich den Wein nach Hause kriege?«
    »Mach dich nicht blöder, als du bist. Du weißt, was ich meine«, entgegnete Tiny.
    »Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir das schon besprochen, Tiny.«
    »Ja, aber wenn du erst wieder im Dienst bist, ist das vielleicht anders.«
    Jung wiegte nachdenklich den Kopf. Er öffnete die Wagentür und stieg aus. Tiny tat es ihm nach. Sie sahen sich über das Wagendach hinweg an.
    »Vielleicht gebe ich den portugiesischen Kollegen einen Tipp, unter Kollegen sozusagen. Bei der weltweiten Aufmerksamkeit, die der Fall ausgelöst hat, wird das keine große Verwunderung hervorrufen.«
    »In welche Richtung, Tomi?«, fragte Tiny eindringlich.
    »Sie könnten angeregt werden, sich mal etwas intensiver um die Eltern zu kümmern, nicht wahr?«
    »Okay.« Tiny schien erleichtert. »Und später?«
    »Das lassen wir auf uns zukommen. Wenn wir nichts sagen, wird das

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