Tiefschlag
Muffensausen.
Celia kehrte mit einem Tablett zurück, Tee für Geordie und sich selbst, Kaffee für Sam. Sie warf einen kurzen Blick auf den Fernseher, als sie die Tassen und Untertassen verteilte. «Er ist nicht dazu geschaffen, den Baum des Wissens zu erklimmen», sagte sie.
Geordie lachte, denn so etwas könnte eigentlich eher aus Sams Mund kommen und war einfach nichts, was Celia normalerweise sagte. Aber sie färbten aufeinander ab, Celia und Sam. Also sagte sie manchmal Dinge, die er sagen könnte, und dann wieder sagte Sam etwas, was man eigentlich eher von Celia erwartet hätte.
Sam erwiderte: «Einen Schönheitswettbewerb würde der sicher auch nicht gewinnen.» Und alle drei lachten, nicht, weil Sam so witzig war, sondern weil sie lachen wollten, um Spannung abzubauen. Über das Gesicht auf dem Fernseher konnte man sich lustig machen. Man konnte es so auf Distanz halten. Aber sie wußten alle, daß es ihnen schon erheblich näher gekommen war, als es in das Büro einbrach. Und die Chancen standen nicht schlecht, daß es noch näher kommen würde. Geordie wollte gar nicht daran denken, was dann passieren könnte. Und er wußte, daß Celia ebenfalls nicht darüber nachdenken wollte. Sam hörte als erster auf zu lachen. Er behielt ein Lächeln auf dem Gesicht, aber das war rein äußerlich.
«Nur damit wir alle auf derselben Frequenz liegen», sagte Sam. «Verrat mir doch mal einer, was hier eigentlich los ist. Geordie?»
Einer Sache konnte man sich absolut sicher sein: Wenn Sam fragte, was los war, dann wußte er höchstwahrscheinlich sehr gut, was los war. In Wirklichkeit wollte er nämlich wissen, ob Geordie auch wußte, was los war. «Ein Typ ruft an und verlangt ein Band», sagte Geordie. «In der nächsten Nacht bricht dann ein Kerl ins Büro ein. Ich würde sagen, es ist derselbe Kerl.»
«Vielleicht.» Sam sah Celia an.
«Bei Jeanie Scott wurde ebenfalls eingebrochen», sagte sie. «Es könnte einen Zusammenhang geben.»
«Ja», sagte Sam. «Denn Jeanie ist sofort zu uns gekommen, nachdem bei ihr eingebrochen wurde. Wenn wir annehmen, daß sie sowohl bei ihr als auch in unserem Büro nach einem Band gesucht haben, was für ein Band könnte das dann wohl sein? Geordie?»
Geordie schüttelte den Kopf. «Die einzigen Bänder, von denen ich was weiß, sind Audiobänder», sagte er. «Aber sicher sein können wir nicht.»
Sam und Celia sahen beide wieder auf den Fernseher, wo immer noch das Gesicht des Kerls zu sehen war, der wie der Terminator aussah. «O mein Gott», sagte Geordie. «Ein Videoband.» Dann wurde ihm schlagartig klar, worauf Sam hinauswollte. «Jeanie Scott war mit dem Burschen verheiratet, der die Überwachungskamera bedient hat. Demnach ist es also so gewesen, daß der Typ, der die Kamera bediente, ein Band hatte, und dieser Typ hier, der auf unserem Fernseher, wollte genau dieses Band haben. Zuerst dachte er, Jeanie könnte es haben, dann ist er ihr zu unserem Büro gefolgt und dachte, sie hätte es uns gegeben.» Geordie stand auf und ging zum Fernseher, kehrte dann wieder an seinen Platz zurück. «Das ist es. Ist es das, Sam?»
Sam nickte. «Aber es sagt uns vielleicht noch ein bißchen mehr», sagte er. «Als ich den Anruf erhielt, waren da zwei Stimmen, nicht nur eine.»
«Also sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen», sagte Celia. «Unser Freund dort drüben», sie deutete mit dem Kopf auf den Bildschirm, «arbeitet nicht allein. Vielleicht war er es gar nicht, der in Jeanies Haus eingebrochen ist.»
«Und vergeßt nicht, was Cal Pointer zugestoßen ist, Jeanies Mann», sagte Sam.
«Er wurde erschossen», sagte Geordie. Und sein Blick wanderte wieder zum Bildschirm, und er begriff, daß er womöglich das Gesicht des Mörders vor sich sah. «Er und dieser andere Typ. Beide wurden erschossen.»
«Wegen eines Bandes?» fragte Celia.
«Nein», sagte Geordie. «Man erschießt niemanden nur wegen einem Band.»
Er sah Sam und Celia an, erwartete, daß sie ihm zustimmten. Beide sahen ihn nur an, und keiner von ihnen sagte ein Wort. Plötzlich wußte Geordie nicht mehr, ob er nun recht hatte oder nicht.
«Weswegen erschießt man jemanden denn?» fragte Sam.
Geordie versuchte, einen Moment darüber nachzudenken, doch dann begriff er, daß es eine von diesen Fragen war, die keiner Antwort bedürfen. Er hatte es in einer Englischstunde gehabt. Konnte sich nicht mehr an das Wort dafür erinnern. Celia kannte es bestimmt, das Wort für so eine Frage. Aber er wollte sie
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