Tiefschlag
schwarze Leinensporttasche. Er griff nach seinem Wecker auf dem Nachttisch und verstaute ihn ebenfalls in der Tasche. «Laß mich nachdenken? Genug Draht? Ja, müßte eigentlich reichen. Eine Trockenbatterie hab ich unten.» Er ging nach unten und kam mit der Batterie wieder herauf, die er daraufhin ebenfalls in die Tasche legte.
«Das müßte dann alles sein», sagte er. Er begann, den Reißverschluß der Tasche zu schließen, doch dann fiel ihm noch etwas ein. «O Scheiße, die verfluchten Zünder.» Er nahm sie aus einem Pappkarton und legte sie in die Tasche. «Das war aber jetzt alles. Zündkabel auch.» Er zog den Reißverschluß zu und prüfte das Gewicht der Tasche.
«Wiegt nicht viel», sagte er zu seinem toten Bruder. «Aber es wird diesen Sam Turner-Typen auf Zack bringen. Wird ihm noch verdammt leid tun, sich je mit uns angelegt zu haben.»
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
Z ieh dich an und verpiß dich», befahl Franco dem Jungen. Er ließ einen Zwanzigpfundschein auf das Bett hinunterschweben und schaute zu, wie die Hand des Jungen unter dem Laken herauskam und darauf wartete, daß das Geld landete. Ein magerer, weißer nackter Arm und pubertäre Schultern, aber ein derbes Gesicht, pockennarbig und voller Pickel. Jung, dumm und voller Soße. Noch ein Neuer, den Doc in der Stadt aufgetrieben hatte. Neue, immer Neue. Nie zufriedenstellend. Es dauerte seine Zeit, einen Jungen abzurichten.
Franco machte auf dem Absatz kehrt und ging in das angrenzende Bad. Er hatte einen schwarzen Plastikstuhl in der Duschwanne stehen, und dorthin setzte er sich nun und ließ sich das Wasser in sein Fleisch bohren. Er vermißte Andrew, genau das war’s. Andrew war mehr als nur irgendein Junge gewesen, er war so was wie ein Lover. Nicht lange. Es hätte erheblich länger dauern können, als es dann dauerte, wenn er nicht auch noch ein Dieb gewesen wäre. Wenn er ein Junkie gewesen wäre. Oder beides, und Schlimmeres.
Franco war sich nicht sicher. Er wußte, daß Andrew Doc Anabolika gestohlen hatte, was übel war. Das allein hätte schon gereicht, wenn er sie nur für sich allein gestohlen hätte. Aber dann war Ben dahintergekommen, daß er die Drogen an die Kids verkaufte, die sich vor dem Monster Gym herumdrückten. Was ebenfalls schlecht war. Aber es war dann der Versuch, ihn zu erpressen, der bei Franco das Faß zum Überlaufen brachte. Das war definitiv zuviel gewesen. Franco war mit Gewalt schnell bei der Hand. Das wußte jeder. Und wenn er erst mal anfing, konnte man unmöglich sagen, wo er aufhören würde.
Das eigentlich Traurige war nur, daß Franco seine Aggression nicht anderweitig abreagiert hatte, bevor Ben und Gog Andrew nach Hause brachten. Wenn sie sich noch etwas Zeit gelassen hätten, den Jungen nicht so schnell gefunden und nach Hause gebracht hätten, dann hätte Franco doch wenigstens Zeit gehabt, darüber wegzukommen. Oder er hätte doch wenigstens Zeit gehabt, um sich etwas zu beruhigen. Wie die Dinge lagen, kochte er immer noch, und er war sofort auf den Jungen losgegangen. Hatte ihn herumgestoßen, ihm die Scheiße aus dem Leib geprügelt. Es war so ein gemeiner Verrat.
Und Franco war zu weit gegangen.
Das wurde ihm jetzt klar.
Denn Andrew war nicht mehr da, stand nicht mehr zur Verfügung. Und Franco mußte statt dessen andere Kinder ficken. Kids, die völlig neu waren, es nur aufs Geld abgesehen hatten und nichts von Francos Bedürfnissen verstanden.
Die einzigen Menschen, die Francos Bedürfnisse wirklich verstanden, waren Mama und Doc. So war’s schon immer gewesen und würde immer so sein.
Als sie noch Kinder waren, hatte Franco Doc noch nicht gekannt. Ihn nicht wirklich gekannt. Doc war vier Jahre älter und zur Universität gegangen, als Franco noch im Falsett gesungen hatte. Damals hatte Franco immer den Eindruck gehabt, daß Doc ehrlich und anständig war, so was wie ein Klon ihres Vaters, Teil der Welt bestehend aus verläßlichen, traditionellen Werten. Er war eine todsichere Sache, und indem er auf die Universität ging, um Geschichte zu studieren, bestätigte er, daß die Schubladen der Welt absolut vernünftig waren.
Damals ergab für Franco kaum etwas einen Sinn. Erst Jahre später begriff er, daß er pädophil war. Er las davon in der Zeitung. Pädophilie. Damit waren Leute gemeint, die auf junge Stengel, frische Schößlinge scharf waren.
Als er den Doc wiedertraf, gab Doc sich als Doktor der Medizin aus. Doc hatte sich sein ganzes Leben als Doktor der Medizin
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