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Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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ausgegeben. Seinen Spitznamen, Doc, hatte er sich im Alter von sieben oder acht Jahren zugelegt. Franco hatte ihn sein ganzes Leben Doc genannt. Aber damals, als sie sich als erwachsene Männer wiedertrafen, erkannten sie einander und wußten, daß sie sich ähnlicher waren als jeder andere auf der Welt. Sie waren aus den gleichen Genen und von derselben Umwelt geformt worden.
    In letzter Zeit hatte Mama den Eindruck vermittelt, mehr Zeit aufs Einkäufen und zu schnelles Autofahren verwenden zu wollen. Sie war bei den Partys noch voll dabei, aber es hatte mal eine Zeit gegeben, als sie zu jeder Tages- oder Nachtzeit bereit war, einen jungen Stengel mit Franco zu teilen. Zu Francos angenehmsten Erinnerungen in Verbindung mit Mama gehörte es, als sie mal einem vernachlässigten Kind anderer Leute anboten, es für eine Nacht unter ihre schützenden Fittiche zu nehmen.
    Bevor Doc zurückkehrte, als er noch allein mit Mama gelebt hatte, war Franco häufig nach Thailand geflogen und in gewissen Häusern in Bangkok zu einem guten Kunden geworden. In einem davon, es lag neben einem buddhistischen Tempel mit bunten Dachziegeln und vergoldeten Türmen, bekam Franco gegen Cash einen jungen Burschen. Die Bezahlung schloß die Beseitigung der Leiche des Jungen am folgenden Morgen ein.
    Als er Doc von dem Haus erzählte, lachte sein Bruder und sagte, dafür brauchst du nicht die weite Reise nach Bangkok zu machen. Ein von den Triaden geführtes Lokal am Ende der Eiland Road bot den gleichen Service. Außerdem nahmen sie es einem noch auf Video auf, und gegen Mitternacht bekam man gratis chinesisches Essen aufs Zimmer gebracht.
     
    «Mr. Julian.» Franco drückte den Hörer an seine Wange.
    «Julian am Apparat.»
    «Oh, nein, ich meine den alten Mr. Julian.»
    «Wer spricht da?»
    «Franco. Ich muß mit Ihrem Vater sprechen.»
    Die Stimme am anderen Ende der Leitung wurde ein paar Grad frostiger. «Mein Vater ist indisponiert. Womit können wir Ihnen helfen?»
    «Indisponiert? Sagen Sie ihm, Franco ist am Apparat. Er wird mit mir sprechen.»
    «Er will mit niemandem sprechen.» Der junge Mr. Julian legte einfach auf, ließ Franco mit einem Summen im Ohr stehen. Er starrte das Telefon an. «Was zum...?» sagte er. Mr. Julian war Francos Boß. Seit vielen Jahren nahm Franco einfach den Hörer ab und redete mit ihm, wenn er Mr. Julian erreichen mußte. Es war noch nie vorgekommen, daß er Mr. Julian nicht erreichte, wenn er den Hörer abnahm. Mit Ausnahme der letzten paar Tage. Es mußte ein Irrtum vorliegen. Er drückte die Wiederwahltaste, und einen Moment später meldete sich ein Mädchen.
    «Mr. Julian, bitte. Franco am Apparat.»
    «Einen Moment.»
    Dann wieder die Stimme des jungen Burschen. «Julian.»
    «Ja», sagte Franco. «Ich muß mit Mr. Julian sprechen, mit Ihrem Vater. Wenn Sie ihm bitte sagen, daß es Franco ist, dann wird er auch ans Telefon kommen.»
    «Franco», sagte der junge Bursche, «begeben Sie sich zu der anderen Nummer und warten Sie dort.»
    Wieder das Summen in Francos Ohr.
    Er ging in die Garage und fuhr den weißen Carrera heraus. Die andere Nummer war eine öffentliche Telefonzelle an der Clifton Green. Er parkte direkt daneben und ging in die Zelle. Er starrte das Telefon fünf Minuten lang an, aber es klingelte nicht. Er verließ die Telefonzelle und kehrte zum Wagen zurück. Er öffnete und schloß die Wagentür und ging wieder zur Zelle. Das Telefon klingelte immer noch nicht. Franco zitterte. Er hatte keine Jacke angezogen. Er trug ein Baumwollhemd, schwarzrot kariert, offen am Hals, und Hausschuhe.
    Warum rief der blöde kleine Wichser nicht an?
    Er kehrte zum Auto zurück und stieg ein, schloß die Tür. Aber jetzt würde er nicht mehr hören, ob das Telefon klingelte. Er stieg aus und ging in die Telefonzelle. Er nahm den Hörer ab, weil er wissen wollte, ob es funktionierte. Dann hängte er wieder ein und wartete. Er konnte geduldig sein. Franco hatte gelernt, Geduld zu haben. Außerdem machte ihn das ruhiger.
    Zwanzig Minuten später klingelte das Telefon. Inzwischen waren Francos Zehen völlig durchgefroren, die Finger taub. In dem winzigen Spiegel über dem Telefon glühte seine Nase rot. «Ja», sagte er.
    «Franco?» Es war Max.
    «Max?» Max kümmerte sich in Manchester um das Unternehmen. Früher war er Francos rechte Hand gewesen. Er war immer noch Francos rechte Hand. «Max, was zum Henker wird hier gespielt? Ich habe Mr. Julian angerufen, aber dieser junge Wichser will mich nicht

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