Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
Die meisten davon sind mittlerweile auch nur noch Ladung ohne Schiff drum herum, da eine Muschelart, der Schiffbohrwurm, sich vom Holz dieser Wracks ernährt.«
Im Lauf der weiteren Schilderungen, erfahren wir, dass man weltweit erst relativ spät mit der Aufzeichnung von Schiffsunglücken begonnen hat, was es auch nicht gerade einfach macht, die Anzahl der gesunkenen Schiffe zu schätzen. Laut Angaben von Nick gehen internationale Experten davon aus, dass es bis zu 3 Millionen Schiffe sein sollen, die weltweit in den Ozeanen verstreut liegen. Manche in besserem und viele in schlechterem Zustand. Rund 100.000 dieser Wracks gelten heutzutage noch als erhaltungswürdig und haben entsprechend wertvolle Ladung an Bord. Ein ehemaliger Navy-Kamerad von Nick, Paul Tidwell, hatte dabei besonderes Glück. Über zwanzig Jahre verfolgte Paul die Historie eines japanischen U-Boots aus dem 2. Weltkrieg, der I-52, die im August 1944 vor Barbados versenkt wurde. Die Besonderheit an diesem Boot war seine Ladung: neben mehreren Tonnen Opium, Uran und Magnesium waren 2,2 Tonnen Gold in den Ladelisten aufgeführt. Mittels Side-Scan-Sonar konnte Paul schließlich im April 1995 das Boot in 5.186 Meter Tiefe im Atlantik orten. Ob Tidwell das Gold aber auch tatsächlich aus dieser enormen Tiefe bergen konnte, weiß Nick auch nicht so genau. »Ab 2008 hat Paul sich aber nicht mehr um das Wrack gekümmert. Warum, hat er mir nie verraten.« Verschmitzt blitzen uns seine graugrünen Augen an. Marcus sieht mich fassungslos an.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs erfahren wir, dass Tidwell und Mel Fisher’s Salvors Inc. nicht die einzigen sind, die sich auf Schatzsuche im ganz großen Stil spezialisiert haben. Eine der bekanntesten und erfolgreichsten Firmen, die auf diesem Gebiet operiert, ist ebenfalls ein amerikanisches Unternehmen, Odyssey Marine Explorations. Gregory Stemm aus Florida wollte 1994 die Schatzsucherei auf ein neues Level heben und gründete zuerst die Firma, um drei Jahre später dann auch noch Aktienanteile über die Börse zu verkaufen. Jeder Aktionär ist also zugleich auch an den Schatzfunden beteiligt. Und diese sind gerade bei dieser Firma enorm.
So fanden die Experten zuletzt im September 2011 in 4.700 Metern Tiefe vor der irischen Küste die SS Gairsoppa, und während sie auf der Suche nach diesem britischen Silberschiff waren auch gleich noch in 2.500 Meter Tiefe ein weiteres Silberschiff, die SS Mantola. Allein in diesen beiden Wracks lagern fast 220 Tonnen Silber, was einem Wert von beinahe 213 Millionen US -Dollar entspricht. In den Augen des alten Piraten kann man deutlich die Enttäuschung sehen, dass nicht er es war, der diese Schiffe gefunden hat. Kurz darauf erhellt sich seine Miene aber wieder. Er deutet uns näher an ihn heranzurücken und beugt sich verschwörerisch zu uns herüber. Wir sind bereits beim dritten Bier angelangt, doch nichts deutet darauf hin, dass er betrunken sein könnte. Darum glaube ich ihm die Geschichte auch, die er uns jetzt erzählt.
Wie Nick berichtet wurden die beiden Atombomben, die 1945 auf die japanischen Orte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden – was schließlich die Kapitulation Japans zur Folge hatte – nicht etwa in den USA zusammengebaut, sondern auf einer kleinen Insel mitten im Pazifik. Genauer gesagt auf Tinian im Marianen-Archipel. Da ist diese Inselgruppe schon wieder – wie oft im Zuge unserer Recherche werden wir wohl noch den Namen unserer schönen Kaiserin hören? Da der Transport der Bombenteile per Flugzeug in diesen heiß umkämpften Kriegstagen als ausgesprochen riskant betrachtet wurde, kam nur die Lieferung per Schiff in Frage. Genau das war die Aufgabe des Schweren Kreuzers US S Indianapolis. In einer streng geheimen Nacht-und-Nebel-Aktion brachte er Mitte Juli 1945 neben etlichen Bombenteilen auch eine riesige Menge angereichertes Uranium-235 auf die kleine Insel, die von den Amerikanern als Stützpunkt zur Verteidigung des Pazifiks diente.
Bis dahin war die Geschichte zwar aufregend, aber noch nicht besonders spektakulär. Doch nun lässt Nick die Katze endgültig aus dem Sack. Die Indianapolis wurde nämlich schon kurze Zeit später zu einer weiteren geheimen Kommandoaktion geschickt, die sie über Guam in Richtung der Philippinen bringen sollte. Über die Ladung ist nichts Näheres bekannt, aber die Gerüchte wollen nicht verstummen, dass es sich dabei um die Teile einer dritten, bei Tests als unbrauchbar herausgestellten Atombombe
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