Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
hauchdünnes Nichts gehüllt sind, in Richtung Flughafeneingang. Dass die »Gangsta« mit ihren in den Kniekehlen hängenden Hosen überhaupt einen Meter zurücklegen können, imponiert mir nun doch ziemlich. Kopfschüttelnd steuern wir unseren weinroten Chevrolet Suburban zur Auffahrt auf die US 1, den berühmten Overseas Highway, der die 40 Inseln der Florida Keys miteinander verbindet und schlussendlich am Ziel unserer Reise, Key West, endet. Mit einem sonoren Brummen des V6-Motors reihen wir uns in den Verkehr ein und gleiten in unserem zwei Tonnen schweren amerikanischen Traum in Richtung der versunkenen Schätze, die uns hier hoffentlich erwarten.
Vorbei an Wegweisern, die Alligatoren-Safaris in den Everglades anbieten, führt unser Weg Richtung Süden. Eine kleine Linkskurve und eine Brückenüberquerung später hebt sich vor uns die Silhouette einiger niedriger Häuser gegen das grelle Sonnenlicht ab, das sich im blitzblauen Wasser des Atlantiks spiegelt. Key Largo, die erste Insel der langen Kette taucht vor uns auf. Typisch amerikanisch reiht sich ein Schnellimbiss an den anderen, nur unterbrochen von Boots-Zubehörläden und Tauchschulen. Dazwischen bietet der ein oder andere Jagdartikelhändler sein umfassendes Warensortiment an. Welche Tiere mit einem Heckler & Koch HK7 Schnellfeuergewehr gejagt werden sollen, leuchtet mir zwar nicht ganz ein, aber man muss ja nicht alles verstehen. Ist es tatsächlich so, dass jeder Amerikaner seine obligate, absolut überdimensionierte US -Flagge vor der Haustür hängen und sein Schnellfeuergewehr im Schrank stehen haben muss?
Linker Hand erregt ein Schild unsere Aufmerksamkeit: »Jules’ Undersea Lodge«. Marcus hat es bereits entdeckt und biegt von der Hauptstraße in die kleine, enge Nebengasse ab. Bereits nach wenigen Metern endet der staubige Weg an einem großen, baufällig wirkenden Tor, dessen ehemals grüne Farbe sich mehr erahnen als erkennen lässt. Über dem Eingang kündet ein verwittertes Schild vom einzigen Unterwasser-Hotel der Welt. Hier befindet sich also eines der beiden derzeit weltweit noch im Einsatz befindlichen Unterwasser-Habitate – das war es zumindest bis vor einigen Jahren. Ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass das ursprünglich als Puerto Rico International Undersea Laboratory ( PRINUL ) zwischen 1971 und 1976 in Dienst gewesene Habitat erst im Jahr 1986 hierher geschleppt und am derzeitigen Standort versenkt wurde. Zu schade, dass wir uns dieses Unikat nicht ansehen können. Auf der anderen Seite, wenn man vom Äußeren auf das Innere schließen soll, ist das vielleicht auch besser so.
Im weiteren Verlauf unserer Fahrt passieren wir eine Brücke nach der anderen, mal kürzer, mal länger. Der Ausblick auf die Korallenriffe links und rechts des Highways ist phänomenal. Kein Wunder, dass diese Brücken bereits Eingang in etliche Hollywood-Filme gefunden haben. Unvergesslich dabei die Szene in »True Lies« mit Arnold Schwarzenegger, in der eine dieser ehemaligen Eisenbahnbrücken in die Luft fliegt. Nur die wenigsten wissen, dass damals tatsächlich ein Brückenteil gesprengt wurde. Seit den 1980er Jahren wurden nämlich viele der Original-Brücken, die ursprünglich 23 Jahre lang als Eisenbahnbrücken gedient hatten, durch Neubauten ersetzt. Soweit die verbliebenen Relikte noch halbwegs sicher erschienen, wurden sie als Fußgängerbrücken beibehalten und nur die schon zu sehr in die Jahre gekommenen Teilbereiche wurden gesprengt – einer davon im eben erwähnten Film. Einige Fischer hängen ihre Angeln gemächlich ins Wasser und lassen sich auf diesen Brückenteilen die Sonne auf den Bauch scheinen. Im Flachwasserbereich, der die Florida Keys umgibt, dürften sie reichliche Beute machen.
Auf den internationalen Seekarten der NOAA , die wir uns noch in Costa Rica am Computer angesehen hatten, haben wir entdeckt, dass dicht hinter diesem Flachwasserbereich bereits die Tiefsee beginnt. Von ungefähr zehn Meter Wassertiefe an der Südspitze von Key West fällt der Meeresboden in weniger als fünf Seemeilen bereits auf weit über 500 Meter ab – Tendenz weiter fallend. Beim Blick in den azurblauen Ozean können wir uns das gar nicht vorstellen. Kein Wunder, dass in den letzten Jahrhunderten unzählige Schiffe an den vorgelagerten Riffen zerschellten und nun in den Tiefen des Atlantiks verborgen liegen. Wir sind gespannt, welche Schätze uns in Mel Fisher’s Maritime Heritage Museum erwarten.
Soeben passieren wir die Ortstafel
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