Tiefsee
nicht Holz, sondern einen härteren, viel widerstandsfähigeren, mit Rost überzogenen Gegenstand berührten.
Die Hilfsmannschaft auf der Barkasse über dem Wrack glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen. Sie sahen gebannt zu, wie ein altes, von Westen kommendes PBY Catalina-Flugboot eine Schleife zog, auf den Fluß einschwenkte und auf dem Wasser aufsetzte. Die Sonne glänzte auf dem aquamarinblauen Anstrich des Aluminiumrumpfes, und die Buchstaben NUMA wurden größer, während das schwerfällige Wasserflugzeug auf die Barkasse zuhielt. Man stellte die Motoren ab; der Kopilot lehnte sich aus einer Seitenluke und warf einem der Männer auf der Barkasse ein Haltetau zu.
Dann erschien eine Frau und sprang leichtfüßig auf das abgescheuerte Holzdeck. Sie war schlank, und ihren ebenmäßigen Körper bedeckte ein braunes, loses, kurzes Hemdkleid, das über der Hüfte von einem Gürtel zusammengehalten wurde. Darunter trug sie eine unten enger werdende Hose aus grüner Baumwolle und an den Füßen mokassinartige Kantenschuhe. Sie mochte Mitte vierzig sein, etwa einssiebzig groß, ihr Haar schimmerte in der Farbe von Espengold, und ihre Haut war kupferbraun von der Sonne gebrannt. Ihr Gesicht mit den hohen Backenknochen war von der Schönheit, die eine Klasse für sich allein darstellte.
Sie ging zwischen einem Gewirr von Kabeln und Bergungsgeräten hindurch und blieb stehen, als sie sich von den Männern und deren faszinierenden Blicken umringt sah. Sie schob ihre Sonnenbrille hoch und starrte zurück.
»Wer von Ihnen ist Dirk Pitt?« fragte sie.
Ein kräftiger Kerl, kleiner als sie, aber mit Schultern, die doppelt so breit waren wie seine Taille, trat vor und zeigte in den Fluß.
»Sie werden ihn dort unten finden, Lady.«
Sie drehte sich um, und ihr Blick folgte dem ausgestreckten Finger. In der leichtgekräuselten Strömung schwankte eine große, orangefarbene Boje, deren Kabel in der schmutziggrünen Tiefe verschwand. Etwa zehn Meter dahinter sah sie die Luftblasen des Tauchers auf der Wasserfläche zerplatzen.
»Wie lange dauert es, bis er wieder auftaucht?«
»Noch fünf Minuten.«
»Na gut.« Sie überlegte für einen Augenblick. Dann fragte sie:
»Ist Albert Giordino bei ihm?«
»Er steht hier vor Ihnen, und Sie sprechen mit ihm.«
Giordino trug nur schäbige Segeltuchschuhe, abgeschnittene Jeans und ein zerrissenes T-Shirt, während sein schwarzes, lockiges, zerrauftes Haar und sein zwei Wochen alter Bart zu seiner nachlässigen Kleidung paßten. Er entsprach entschieden nicht ihrer Vorstellung von NUMAs stellvertretendem Direktor für Spezialprojekte.
Sie schien mehr belustigt als überrascht. »Ich heiße Julie Mendoza und bin von der Umweltschutzbehörde. Ich muß eine dringende Angelegenheit mit Ihnen beiden besprechen, aber vielleicht sollte ich warten, bis Mr. Pitt auftaucht.«
Giordino zuckte mit den Schultern. »Wie Sie meinen.« Er lächelte freundlich. »Wir können Ihnen nicht viel an persönlichem Komfort bieten, aber ich habe schön kaltes Bier auf Lager.«
»Ich nehme gern eines, danke.«
Giordino nahm eine Dose Coors aus einem Eimer mit Eis und reichte sie ihr. »Wozu fliegt ein Umweltschutz-Mann… äh… eine Frau in einem NUMA-Flugzeug in der Gegend herum?«
»Eine Idee von Admiral Sandecker.«
Mehr sagte Mendoza nicht, also drängte Giordino sie auch nicht.
»An welchem Projekt arbeiten Sie?« fragte Mendoza.
»Die
Cumberland.
«
»Ein Schiff aus dem Bürgerkrieg, nicht wahr?«
»Ja, historisch sehr wichtig. Sie war eine Fregatte der Union, die 1862 durch das konföderierte Panzerschiff
Merrimack
oder
Virginia
, unter welchem Namen sie im Süden bekannt war – versenkt wurde.«
»Soweit ich mich erinnere, ging sie unter, bevor die
Merrimack
gegen die
Monitor
kämpfte; dadurch wurde sie zum ersten Schiff, das von einem Panzerschiff vernichtet wurde.«
»Sie sind in der Geschichte ganz schön beschlagen.« Giordino war beeindruckt.
»Und die NUMA wird sie heben?«
Giordino schüttelte den Kopf. »Zu kostspielig. Wir wollen nur den Rammsporn.«
»Rammsporn?«
»Es war eine höllische Schlacht«, erklärte Giordino. »Die Mannschaft der
Cumberland
kämpfte, bis Wasser in ihre Kanonenrohre drang, obwohl ihre Kanonenkugeln von der Panzerung des Konföderiertenschiffes abprallten wie Golfbälle von einem Förderwagen.
Schließlich rammte die
Merrimack
die
Cumberland
, und sie ging mit fliegenden Fahnen unter. Aber beim Zurücksetzen brach der riesige, keilförmige
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