Tiefsee
die Karte der Binnenwasserwege zusammen, so daß eine andere Karte zum Vorschein kam, die die Küstenlinie am Golf von Mexiko zeigte. »Zufällig ja.« Er tippte mit dem Finger auf einen mit roter Tinte markierten Punkt. »Der Schleppkahn, in dem Margolin und Loren gefangengehalten werden, befindet sich hier irgendwo.«
Giordino trat näher und betrachtete das bezeichnete Gebiet genauer. Dann sah er Pitt mit einem Ausdruck an, den er für gewöhnlich Leuten vorbehielt, die Hinweise auf das bevorstehende Ende der Welt vorbrachten. »New Orleans?«
»Südlich von New Orleans«, stellte Pitt richtig. »Meiner Ansicht nach ist er jetzt dort vertäut.«
Giordino schüttelte den Kopf. »Du bist wohl völlig übergeschnappt! Du willst mir doch hoffentlich nicht einreden, daß die Bougainvilles einen Schleppkahn von Charleston um die Spitze von Florida herum und über den Golf zum Mississippi, fast dreitausend Kilometer, in weniger als vier Tagen geschleppt haben? Tut mir leid, Sportsfreund, den Schlepper gibt’s noch nicht, der einen Kahn so schnell ziehen kann.«
»Zugegeben«, räumte Pitt ein. »Aber angenommen, sie hätten 1300 Kilometer abgeschnitten?«
»Wie?« fragte Giordino halb zweifelnd, halb spöttisch.
»Indem sie Räder anbrachten und mit ihm über Land fuhren?«
»Das ist kein Scherz«, behauptete Pitt ernsthaft. »Indem sie ihn durch den erst kürzlich eröffneten Florida-Cross-State-Kanal von Jacksonville am Atlantik nach Crystal River am Golf von Mexiko geschleppt und sich die Umrundung der Südspitze des Staates erspart haben.«
Diese Eröffnung elektrisierte Giordino. Er schaute wieder auf die Karte und studierte den Maßstab. Dann benutzte er Daumen und Zeigefinger als Stechzirkel und maß ungefähr die nunmehr verringerte Entfernung zwischen Charleston und New Orleans ab. Als er sich schließlich umdrehte und Pitt ansah, lächelte er hilflos. »Das haut hin.« Und dann verschwand sein Lächeln rasch. »Und was bedeutet das?«
»Die Bougainvilles müssen über eine bestens getarnte Anlegestation verfügen, bei der sie ihr illegales Frachtgut abladen. Wahrscheinlich liegt sie am Ufer des Flusses, irgendwo zwischen New Orleans und der Einfahrt zum Golf.«
»Im Mississippi-Delta?« Giordino war verblüfft. »Wie hast du nur diesen Hasen aus dem Zylinder gezogen?«
»Schau her«, forderte ihn Pitt auf, zeigte auf die Schiffsliste auf der Tafel und las sie vor.
»Die
Pilottown, Belle Chasse, Butras, Venice, Boothville, Chalmette —
alles Schiffe, die im Ausland registriert sind, sich aber erst einmal im Besitz von Bougainville Maritime befanden.«
»Ich sehe den Zusammenhang noch immer nicht.«
»Sieh dir die Karte noch einmal an. Jedes dieser Schiffe ist nach einer Stadt am Flußdelta benannt.«
»Eine symbolische Chiffre?«
»Der einzige Fehler, den die Bougainvilles je begangen haben: Sie haben eine Bezeichnung verwendet, die ihr geheimes Operationsgebiet umschreibt.«
Giordino sah genauer hin. »Bei Gott, das paßt ja wie ein Mädchen in hautenge Shorts.«
Pitt klopfte mit den Knöcheln auf die Karte. »Ich wette meinen Isotta Fraschini gegen deinen Bronco, daß wir Loren dort finden werden.«
»Abgemacht.«
»Lauf hinüber zum NUMA-Flughafen und bestelle eine Düsenmaschine. Ich werde den Admiral anrufen und ihm erklären, warum wir nach New Orleans fliegen.«
Giordino ging schon zur Tür. »Die Maschine ist durchgecheckt und abflugbereit, sobald du hinkommst«, rief er noch über die Schulter zurück.
Pitt lief die Treppe zu seiner Wohnung hinauf und warf ein paar Kleidungsstücke in einen Reisesack. Er öffnete einen Waffenschrank, nahm eine alte Colt-Thompson-Maschinenpistole, Seriennummer 8545, sowie zwei komplette Magazine mit Patronen vom 45er-Kaliber heraus, und legte sie in einen Geigenkasten. Dann griff er nach dem Telefon und rief Sandeckers Büro an.
Er stellte sich Sandeckers Sekretärin vor und wurde verbunden. »Admiral?«
»Dirk?«
»Ich habe die Gegend herausgefunden, in der der Schleppkahn liegt.«
»Wo?«
»Das Mississippidelta. Al und ich fliegen sofort hin.«
»Wie kommen Sie auf die Idee, daß er im Delta liegt?«
»Halb Vermutung, halb Schlußfolgerung, aber wir haben keinen besseren Hinweis.«
Sandecker zögerte etwas mit der Antwort. »Sie sollten lieber warten.«
»Warten? Wovon sprechen Sie?«
»Alan Moran verlangt, daß die Suche eingestellt wird.«
Pitt war bestürzt. »Warum, zum Teufel?«
»Er findet, es sei eine Vergeudung von Zeit und
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