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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Welt der tierärztlichen Praxis mit all ihren Freuden und Kümmernissen.
    Doch nicht für lange, denn genau wie viele andere hatte er seine Einberufung zur Army bekommen und würde bald nach mir fortgehen. Aber Tristan hatte insofern Glück, als er als Veterinäroffizier Dienst tun konnte, während Siegfried und ich, die wir uns beide gleich zu Anfang des Krieges freiwillig gemeldet hatten, zur Air Force mußten, wo wir bis zur Erschöpfung auf dem Exerzierplatz gedrillt werden sollten. Als Tristan einberufen wurde, hatte der Krieg sich bereits ausgeweitet, und die Army brauchte im Nahen Osten dringend Fachleute für die tierärztliche Versorgung von Pferden, Maultieren, Rindern und Kamelen.
    Daß es bei ihm zeitlich so hinkam, ließ darauf schließen, daß die Götter sich wie üblich seiner annahmen. Ich bin fest davon überzeugt, die Götter lieben Menschen wie Tristan, die mühelos vor den Winden des Schicksals segeln, mit einem Lächeln zurückschnellen und in allen Lebenslagen einen fröhlichen Optimismus bewahren. Im Gegensatz zu Siegfried und mir zog Captain Tristan Farnon stilgerecht in den Krieg.
    Aber bis dahin war ich froh über seine Unterstützung. Nach meinem Weggang sollte er die Praxis mit Hilfe eines Assistenten weiterführen, und wenn auch er fortging, sollten zwei Fremde sie bis zu unserer Rückkehr übernehmen. Dieser Gedanke erschien mir sehr seltsam, aber es war eben damals eine unbeständige Zeit.
    Ich hielt an und blickte nachdenklich auf Tristans Wagen. Es widerstrebte mir, mich in seine Arbeit einzumischen, aber ich wußte, daß Mark Dowson, der Besitzer des Hofes, ein verdrießlicher, wortkarger Mann war, der Tristan bestimmt herunterputzen würde, falls irgend etwas schiefging.
    Im Grunde gab es nicht den geringsten Anlaß zur Besorgnis, denn Tristan machte seine Sache ausgezeichnet. Schon als Student, wo er ja nur ab und zu bei ihnen auftauchte, hatten die Bauern ihn gern gemocht, und jetzt, wo er als approbierter Tierarzt ständig mitarbeitete, bekamen wir von allen Seiten nur Gutes über ihn zu hören.
    »Alle Achtung! Der junge Mann scheut keine Mühe«, oder: »Hab noch nie ’n jungen Menschen gesehen, der so mit Leib und Seele in seiner Arbeit aufgeht.« Und ein Bauer hatte mich beiseite gezogen und gemurmelt: »Er gibt sich wirklich alle Mühe. Ich glaub, er würde sich eher umbringen, als daß er aufgibt.«
    Die letzte Bemerkung hatte mich nachdenklich gestimmt. Sich übermäßig anzustrengen war gewiß nicht Tristans Stärke, und ich hatte mich im stillen manchmal über die Äußerungen etwas gewundert, bis mir gewisse Erlebnisse einfielen. Schon als Student hatte er mit seiner scharfen Intelligenz praktisch jede Situation gemeistert, und als ich beobachtete, wie er auf die kleinen Unglücksfälle, die in jeder Landpraxis vorkommen, reagierte, gewann ich die Überzeugung, daß er ein bestimmtes System verfolgte.
    Mir wurde das zum erstenmal bewußt, als er eines Tages neben einer Kuh stand und mir zusah, wie ich Milch aus einer Zitze zog. Das Tier drehte sich unerwartet um und trat mit seinem harten Huf auf Tristans Fuß. Das ist etwas, was sozusagen jeden Tag passiert, und ehe es Stulpenstiefel mit Stahlspitzen gab, habe ich oft höllische Schmerzen aushalten müssen. Wenn es mich erwischte, hüpfte ich gewöhnlich auf einem Bein herum und fluchte vor mich hin – ein Schauspiel, das die Bauern meist mit verständnisvollem Gelächter begrüßten. Tristan jedoch machte es anders.
    Er rang nach Luft, lehnte sich mit gesenktem Kopf gegen die Kuh und stieß dann einen langgezogenen Klagelaut aus. Während der Bauer und ich ihn bestürzt anstarrten, taumelte er, den verletzten Fuß hinter sich herziehend, zum anderen Ende des Stalles, wo er sich, immer noch jämmerlich stöhnend, gegen die Mauer sinken ließ und das Gesicht fest an die Steine preßte.
    Erschrocken stürzte ich zu ihm hinüber. Gewiß hatte er sich etwas gebrochen, und ich überlegte mir fieberhaft, wie ich ihn möglichst schnell ins Krankenhaus schaffen konnte. Aber er erholte sich rasch wieder, und als wir zehn Minuten später den Stall verließen, ging er munter neben mir her. Von Hinken war keine Rede mehr. Doch eins war mir aufgefallen: Niemand hatte über ihn gelacht, er hatte nur Mitleid und Anteilnahme erweckt.
    Das gleiche erlebte ich wiederholt. Er bekam einen leichten Fußtritt, er wurde gequetscht, ihm widerfuhren alle möglichen Unannehmlichkeiten, die nun einmal in unserem Beruf dazugehören –

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