Tierarzt
nie meine Stärke gewesen. Kurz nach unserer Heirat hatte ich zu Helen gesagt, es sei wohl besser, vorläufig noch nicht an Kinder zu denken: erstens einmal könne ich jeden Augenblick einberufen werden, zweitens hätten wir kein richtiges Zuhause, und da es um unsere Finanzen auch nicht gerade glänzend bestellt sei, hielte ich es für besser, wenn wir damit bis nach dem Krieg warten würden.
Weit im Sessel zurückgelehnt und wie ein Weiser an meiner Pfeife paffend, hatte ich meine Ansichten geäußert, war aber im Grunde doch nicht sonderlich überrascht, als Helen mir sagte, sie sei schwanger.
Durch das offene Wagenfenster drang aus der warmen Dunkelheit der Geruch nach Gras, und als ich langsam durch ein Dorf fuhr, in dem zu dieser späten Stunde schon alles schlief, vermischte er sich für Augenblicke mit dem angenehm herben Duft von brennendem Holz. Hinter den Häusern wand sich die Straße einsam zwischen den dunklen, steil emporragenden Fells hindurch. Nein... ich hatte die Dinge nicht gut eingerichtet. Ich mußte Darrowby, vielleicht sogar England, auf unbestimmte Zeit verlassen, hatte kein richtiges Heim, kein Geld und eine Frau, die ein Kind erwartete. Es war eine absolut ungeregelte Situation. Aber auch ich lernte langsam, daß das Leben zu keiner Zeit eine sehr geregelte Angelegenheit ist.
Die Turmuhr auf dem Marktplatz zeigte elf, und als ich in die Trengate einbog, sah ich, daß in unserem Zimmer kein Licht mehr brannte. Helen war zu Bett gegangen. Ich fuhr hinten herum in den Hof, stellte den Wagen in die Garage und ging durch den langen, schmalen Garten. Mit diesem Weg beendete ich täglich meine Arbeit: Manchmal stolperte ich über gefrorenen Schnee oder kämpfte gegen Wind und Regen an, aber heute abend ging ich mühelos unter den Apfelbäumen durch die sommerliche Dunkelheit auf das Haus zu, das sich groß und still gegen den Sternenhimmel abhob.
Im Flur wäre ich beinahe mit Siegfried zusammengestoßen.
»Kommen Sie jetzt erst von den Allenbys zurück, James?« fragte er. »Es ging um eine Kolik, ja?«
Ich nickte. »Sie war glücklicherweise nicht schwer. Mehr ein leichter Magenkrampf. Der Grauschimmel hatte sich an den unreifen Birnen im Obstgarten gütlich getan.«
Siegfried lachte. »Ich bin auch erst vor ein paar Minuten gekommen. Habe über eine Stunde bei der alten Mrs. Dalby gesessen und ihrer Katze beim Werfen die Pfote gehalten.«
Wir kamen zur Treppe, die nach oben führte. Er zögerte. »Hätten Sie Lust auf einen Schlummertrunk, James?«
»Ja gern, vielen Dank«, erwiderte ich, und wir gingen ins Wohnzimmer. Doch heute herrschte eine gewisse Befangenheit zwischen uns, denn Siegfried mußte sich am nächsten Morgen in aller Frühe auf den Weg nach London machen und sich bei der Air Force melden – es war gewissermaßen unser Abschiedsabend.
Ich ließ mich in den Armsessel sinken, in dem ich immer saß, während Siegfried aus dem kleinen Schrank über dem Kaminsims die Whiskyflasche und zwei Gläser holte. Er schenkte rasch ein und setzte sich mir gegenüber.
Wir hatten in den vergangenen Jahren oft hier gesessen, neben uns die Whiskyflasche, und manchmal bis zum Morgengrauen geschwatzt, doch diese Gewohnheit hatte sich natürlich nach meiner Heirat allmählich verloren. So war es wie eine Rückkehr in die vergangenen Zeiten, mit einem Glas Whisky in der Hand Siegfried am Kamin gegenüberzusitzen und die Atmosphäre dieses schönen Raumes mit der hohen Decke, den anmutigen Nischen und dem großen Flügelfenster zu genießen.
Über seinen Weggang sprachen wir mit keinem Wort, sondern unterhielten uns über Alltägliches: daß die Kuh von Mr. Pickersgill wider alles Erwarten genesen war, was der alte Jenks gestern gesagt hatte, über das Pferd, das zuerst uns zu Boden geworfen hatte, dann über den Zaun gesprungen und auf Nimmerwiedersehen verschwunden war.
Plötzlich sagte Siegfried: »Ach, James, ehe ich es vergesse: Ich habe heute die Bücher durchgesehen und festgestellt, daß ich Ihnen noch Geld schulde.«
»Ist das wahr?«
»Ja, es ist mir sehr unangenehm – die Schuld stammt noch aus der Zeit, als Sie noch nicht mein Partner waren. Sie bekamen doch immer ein zusätzliches Honorar für die Tuberkulintests bei Ewan Ross. Durch irgendein Versehen ist Ihnen zuwenig ausgezahlt worden. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber auf jeden Fall stehen Ihnen noch fünfzig Pfund zu.«
»Fünfzig Pfund! Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher, James, und ich bitte Sie um
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