Tierarzt
kann Mr. Barnett für den Rest meines Lebens leicht verschmerzen.«
Unser Weg führte uns durch das kleine Dorf Baidon, und Siegfried hielt vor dem Pub, einem gelbgetünchten, etwas abseits von der Straße gelegenen Haus; über dem Eingang hing ein Schild, auf dem mit kunstvoll gemalten Buchstaben ›The Cross Keys‹ stand. Vor der Treppe sonnte sich ein großer schwarzer Hund.
Mein Partner blickte auf die Uhr. »Viertel nach zwölf – dann haben sie also gerade aufgemacht. Was halten Sie von einem kühlen Bier? Das wäre genau das richtige, finden Sie nicht? Ich glaube, ich bin hier noch nie gewesen.«
Nach der Helligkeit draußen war es eine Wohltat, den dunklen Schankraum zu betreten, wo nur ein paar verirrte Sonnenstrahlen auf den gefliesten Boden, die riesigen Eichentische und den großen Kamin mit seiner hohen Sitzbank sickerten.
»Einen wunderschönen guten Morgen«, rief mein Partner dröhnend, während er mit großen Schritten auf die Theke zuging. Er trug das Gebaren eines leutseligen Fürsten zur Schau. Schade, daß er nicht noch einen Stock mit silbernem Knauf bei sich hatte; wie gut hätte er damit auf die Theke klopfen können.
Der Mann hinter dem Schanktisch lächelte und erwiderte im gleichen Ton: »Einen schönen guten Morgen, Sir. Was wünschen die Herren zu trinken?«
»Zwei Glas Bier, bitteres bitte. Einverstanden, James?«
Ich nickte, und der Wirt zapfte das Bier ab.
»Was ist mit Ihnen? Darf ich Sie ebenfalls zu einem Bier einladen?« fragte Siegfried.
»Gern, Sir. Vielen Dank. Ich trink ’n Braunbier.«
»Und was darf es für die Frau Gemahlin sein?« Siegfried lächelte zu der Frau hinüber, die am anderen Ende der Theke Gläser aufstapelte.
»Oh, das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Wenn es erlaubt ist, nehme ich einen Portwein.« Sie blickte auf, schluckte und sah ihn verwundert an. Siegfried hatte sie keineswegs unhöflich angestarrt – er hatte nur sekundenlang seine strahlend grauen Augen auf sie gerichtet –, doch die Flasche klirrte gegen das Glas, als sie sich einschenkte, und sie sah ihn dann die ganze Zeit verträumt an.
»Das macht fünf Shilling Sixpence«, sagte der Wirt.
»Ja, Moment.« Mein Partner zog ein wahres Sammelsurium von zerknitterten Banknoten, Münzen, Instrumenten, Thermometern und Bindfäden aus der Tasche. Er warf alles auf die Theke und sortierte mit dem Zeigefinger eine halbe Krone und zwei Zweishillingstücke aus, die er dem Wirt hinschob.
»Halt!« rief ich aus. »Ist das nicht meine Schere? Ich vermisse sie seit ein paar Tagen...«
Siegfried fegte alles wieder von der Platte und stopfte es in seine Jackentasche.
»Unsinn! Wie kommen Sie darauf?«
»Weil sie genauso aussieht wie meine, und weil ich sie schon überall gesucht habe...«
»James!« Er reckte sich stolz und sah mich hochmütig an. »Ich glaube, das genügt. Mag sein, daß ich mich hin und wieder zu irgendwelchen niedrigen Taten hinreißen lasse – das tun wir alle –, aber es gibt gewisse Dinge, die unter meiner Würde sind. Beispielsweise die Schere meines Kollegen zu stehlen!«
Ich schwieg. Es hatte keinen Sinn, ihm zu widersprechen. Ich mußte warten, bis sich eine günstige Gelegenheit bot, das, was mir gehörte, wieder an mich zu nehmen.
Siegfrieds Aufmerksamkeit wurde im übrigen jetzt offensichtlich von etwas anderem in Anspruch genommen. Gedankenverloren wühlte er in der anderen Tasche, deren Inhalt er ebenfalls herauszog und auf der Theke auseinanderklaubte.
»Hab ich Ihnen den Scheck gegeben, den ich von Barnett bekommen habe?« fragte er sorgenvoll.
»Nein, Sie haben ihn in die Tasche gesteckt. Das weiß ich genau.«
»Das dachte ich auch. Aber er ist weg.«
»Weg?«
»Ja, ich muß ihn verloren haben.«
Ich lachte. »Aber das ist doch nicht möglich. Schauen Sie der Reihe nach in Ihren anderen Taschen nach – irgendwo ist er ganz bestimmt.«
Siegfried durchsuchte systematisch sämtliche Taschen, aber ohne Erfolg.
»Ich scheine ihn tatsächlich verloren zu haben«, sagte er schließlich. »Aber ich weiß, was wir machen, James – ich trinke noch ein Bier, und Sie fahren in der Zwischenzeit zu Walt Barnett zurück und lassen sich einen neuen Scheck geben.«
Kapitel 25
Es sind viele Stunden, die ich tagtäglich am Steuer sitze; und dabei hat man natürlich Zeit zum Nachdenken, und heute dachte ich beim Nachhausefahren träge darüber nach, wie ich mir mein Leben eingerichtet hatte.
Systematisches Vorausplanen ist, das gebe ich offen zu, noch
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