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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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essen.
    Das bedeutet allerdings nicht, dass wir Tiere essen müssen. Ich kann eine individuelle Entscheidung treffen, aus ganz persönlichen Gründen kein Fleisch zu essen. In meinem Fall ist der Grund eine ganz besondere Verbindung, die ich schon immer zu Tieren gespürt habe. Ich glaube, es würde mir sehr schwerfallen, Fleisch zu essen. Ich würde mich einfach sehr unwohl dabei fühlen. Für mich ist Massentierhaltung nicht falsch, weil sie Fleisch produziert, sondern weil sie jedem Tier auch noch das letzte Fünkchen Freude raubt. Anders ausgedrückt: Würde ich etwas stehlen, hätte ich ein schlech tes Gewissen, weil es von Natur aus falsch ist. Fleisch ist nicht von Natur aus falsch. Würde ich welches essen, wäre meine Reaktion wohl bloß eine Art Bedauern.
    Früher habe ich gedacht, als Vegetarierin brauche ich mich nicht darum zu kümmern, dass die Art und Weise, wie Nutztiere behandelt werden, verbessert wird. Ich hatte das Gefühl, indem ich kein Fleisch esse, habe ich meinen Beitrag geleistet. Heute kommt mir das unsinnig vor. Die Fleischindustrie geht uns alle an, denn wir leben alle in einer Gesellschaft, in der die Lebensmittelproduktion auf Massentierhaltung und Agrarindustrie beruht. Vegetarierin zu sein entbindet mich nicht meiner Verantwortung dafür, wie in unserem Land Tiere gehalten werden – erst recht nicht zu einer Zeit, wo der Fleischkonsum sowohl national als auch global ansteigt.
    Unter meinen Freunden und Bekannten sind eine Menge Vega ner, von denen einige mit PETA oder Farm Sanctuary zu tun ha ben. Viele von denen glauben, die Menschheit würde das Problem Massentierhaltung letztlich dadurch lösen, dass die Leute aufhören, Fleisch zu essen. Da bin ich anderer Ansicht. Jedenfalls werden wir das nicht mehr erleben. Wenn es überhaupt möglich ist, dann wird es noch viele Generationen dauern. Bis dahin müssen wir uns auf andere Weise mit dem ungeheuren Leid befassen, das Tierfabriken verursachen. Wir müssen Alternativen fördern und unterstützen.
    Zum Glück gibt es für die Zukunft ein paar Silberstreifen am Horizont. Die Rückkehr zu umsichtigeren landwirtschaftlichen Methoden ist auf dem Vormarsch. Es formiert sich ein gemeinsa mer Wille – ein politischer Wille, aber auch ein Verbraucherwille, und damit der Wille des Lebensmittelhandels und der Restaurants. Verschiedene Forderungen fallen zusammen; eine davon ist die nach besserer Behandlung von Tieren. Wir erkennen langsam die Absurdität darin, dass wir lange nach Shampoo suchen, das ohne Tierversuche produziert wird, während wir gleichzeitig (und zwar mehrmals täglich) Fleisch kaufen, das in einem zutiefst grausamen System erzeugt wird.
    Auch ökonomische Anforderungen ändern sich: Die Kosten für Treibstoff, für landwirtschaftliche Chemikalien und für Getreide steigen. Die Subventionen für die Landwirtschaft, die seit Jahrzehnten vor allem Großbetrieben, also Tierfabriken zugutekamen, werden zunehmend unhaltbar, vor allem vor dem Hintergrund der Finanzkrise. Eine Neuorientierung findet statt. Und die Welt braucht übrigens längst nicht so viel Tiere zu produzieren, wie wir es derzeit tun. Massentierhaltung ist nicht aus der Notwendigkeit entstanden, mehr Nahrung zu produzieren, um »die hungrigen Massen zu ernähren«, sondern damit die Agrarindustrie größeren Profit daraus schlagen kann. Bei der Massentierhaltung geht es nur um Geld. Und das ist auch der Grund, warum das System scheitert und auf lange Sicht nicht funktionieren kann: Es ist eine Lebensmittelindustrie entstanden, deren Hauptaugenmerk nicht die Ernährung der Menschen ist. Bezweifelt irgendjemand ernsthaft, dass die Konzerne, die den weitaus größten Teil der amerikanischen Nutztierhaltung kontrollieren, vor allem Profitinteressen verfolgen? In den meisten Industriezweigen ist das als Triebfeder ja auch ganz in Ordnung. Aber wenn es sich bei den Rohstoffen um Tiere handelt, bei den Produktionsstätten um das Land selbst, wenn die produzierten Güter verzehrt werden, dann stehen andere Dinge auf dem Spiel, und dann muss auch anders gedacht werden.
    Wenn man die Menschen ernähren will, ergibt es zum Beispiel keinen Sinn, Tiere zu züchten, die körperlich nicht mehr in der Lage sind, sich fortzupflanzen; aber wenn man vor allem Geld verdienen will, ist das ganz logisch. Bill und ich haben inzwischen auch ein paar Truthähne auf unserer Ranch, eine ganz alte Rasse – dieselbe Rasse, die vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts gezüchtet wurde. So weit

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