Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
Vom Netzwerk:
»naturbelassen«, »frisch« oder »magisch«.
    Bei Masthühnern spricht man von »freilaufend«, wenn sie »Zugang ins Freie« haben, was wörtlich genommen überhaupt nichts bedeutet. (Stellen Sie sich einen riesigen Schuppen mit 30 000 Hühnern darin vor, mit einer kleinen Tür auf einer Seite, die auf ein zweieinhalb Quadratmeter großes schmutziges Fleckchen Erde hinausführt – und diese Tür ist bis auf seltene Gelegenheiten geschlossen.)
    Das amerikanische Agrarministerium (USDA) hat für Legehennen nicht einmal eine Definition des Begriffs »freilaufend« und verlässt sich stattdessen darauf, dass die Angaben der Produzenten zutreffend sind. Sehr oft werden Eier aus Massentierhaltung – also von Tieren, die in riesigen kahlen Schuppen dicht an dicht zusammengepfercht sind – als »von freilaufenden Hühnern« bezeichnet. (Für die Bezeichnung »cage-free«, also »aus käfigfreier Haltung«, gibt es zwar eine Verordnung, doch die sagt nicht mehr oder weniger als die wörtliche Bedeutung: Es gibt keine Einzelkäfige.) Man kann sich darauf verlassen, dass so gut wie alle »freilaufenden« oder »käfigfreien« Legehennen entschnabelt, unter Drogen gesetzt und auf grausame Weise getötet werden, wenn sie ihren Dienst getan haben. Ich könnte auch eine Schar Hühner unter meiner Spüle halten und sie »freilaufend« nennen.

Frisch
    Bullshit ( siehe: BULLSHIT). Nach Vorgabe des amerikanischen Agrarministeriums (USDA) darf die Innentemperatur von »frischem« Geflügelfleisch nie unter –4 Grad Celsius und nie über +4 Grad Celsius liegen. Frisches Hühnerfleisch kann gefroren sein (daher das Oxymoron »frisch gefroren«), die Frische lässt sich also haltbar machen. Von Pathogenen befallenes, mit Fäkalien bespritztes Hühnerfleisch kann im Prinzip frisch sein, aus käfigfreier und Freilandhaltung stammen und ganz legal im Supermarkt verkauft werden (allerdings sollte man vor dem Verzehr die Scheiße abspülen).

Futter und Licht
    In der Massentierhaltung werden Futter und Licht üblicherweise manipuliert, um die Produktivität zu steigern, was oft zulasten der Tiere geht. Die Hühnerfarmer schalten damit die innere Uhr der Tiere aus, sodass sie mit dem geldbringenden Eierlegen früher und – sehr wichtig – alle gleichzeitig anfangen. Ein Geflügelfarmer beschrieb mir die Situation folgendermaßen:
    Sobald das weibliche Geflügel geschlechtsreif wird – in der industriellen Putenzucht dauert das 23 bis 26 Wochen, bei Legehennen 16 bis 20 –, werden die Tiere in gering beleuchtete Hallen gebracht, manchmal werden sie dort 24 Stunden am Tag und sieben Tage pro Woche bei völliger Dunkelheit gehalten. Gleichzeitig werden sie auf äußerst eiweißarmes Futter gesetzt, bei dem sie fast schon hungern. Das geht ungefähr zwei, drei Wochen so. Dann wird das Licht 16 Stunden pro Tag, bei Hennen sogar 20 Stunden lang, angeschaltet, damit die Tiere denken, es ist Frühling. Gleichzeitig setzt man sie auf eiweißreiches Futter. Die Tiere fangen sofort zu legen an. Das Ganze ist so eingerichtet, dass man das Eierlegen nach Belieben ein-und ausschalten kann. Wenn es in der Natur Frühling wird, kommen die Insekten, und das Gras wächst, und die Tage werden länger – das ist ein Zeichen, das den Vögeln sagt: »Gut, ich sollte mal anfangen, Eier zu legen. Der Frühling kommt.« Der Mensch hat sich diese Programmierung zunutze gemacht. Und indem Licht, Futter und Fütterzeit kontrolliert werden, kann die Industrie die Vögel zwingen, das ganze Jahr über Eier zu legen. Und das tun sie. Putenhennen legen heutzutage 120 Eier pro Jahr, Hühner über 300. Das ist zwei-oder sogar dreimal so viel wie in der freien Natur. Nach dem ersten Lebensjahr werden sie getötet, weil sie im zweiten Jahr nicht mehr so viele Eier legen – die Industrie hat herausgefunden, dass es billiger ist, sie zu schlachten und von vorn anzufangen, als Vögel zu füttern und zu halten, die weniger Eier legen. Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum Geflügelfleisch heute so billig ist, aber die Vögel müssen dafür leiden.
    Die meisten Menschen haben eine vage Vorstellung von der Grausamkeit der Massentierhaltung – die Käfige sind klein, die Schlachtmethoden brutal –, bestimmte weithin praktizierte Methoden sind jedoch nahezu unbekannt. Ich hatte nie davon gehört, dass man Geflügel Futter und Licht vorenthält. Und nachdem ich davon gehört hatte, wollte ich nie wieder ein Ei aus Massentierhaltung essen. Zum Glück gibt es

Weitere Kostenlose Bücher