Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Bürde erlegen Sie sich selbst auf! Sie verschaffen Ihrem Hund damit ein Handicap, denn in dem Moment, wo der Rhythmus nicht eingehalten wird, versteht Ihr Tier die Welt nicht mehr. Es freut sich natürlich über jeden Spaziergang, keine Frage, es ist Zeit, in der Sie sich mit ihm beschäftigen und seine wichtigen »Geschäfte« kann es dabei auch erledigen. Der eigentliche Beweggrund ist allerdings ein anderer: nämlich Ihr Bedürfnis – oder Ihre Meinung, dass Sie mit dem Hund so und so viele Male pro Tag rausmüssen.
Darf sich Ihr Hund beim Spaziergang wälzen, auf die Gefahr hin, dass er danach nicht wirklich gut riecht? Ihn selbst macht
das stolz wie Oskar. Sein Ansehen in der Hundegesellschaft wird sich ganz nach oben bewegen mit diesem köstlichen Duft, der ihn umgibt. Für den Hund bedeutet dieses Verhalten nur Vorteile. Für Sie hingegen ist es eine schwer zu ertragende Geruchsbelästigung, die Verschmutzung des Autos, der Wohnung, des Hauses inbegriffen. Der Geruch führt am Ende dieses Wälzerlebnisses zu einem ungeliebten Vollbad für den bis dahin so selbstbewussten Vierbeiner. Zwei konträre Vorstellungen treffen aufeinander. Der Hund wird sauber sein, ein Schaumkrönchen auf dem Kopf haben und sich die Nässe aus dem für Sie gut duftenden Fell schütteln. Sie sind glücklich über die gelungene Reinigung, und doch hat der Hund mit diesem unfreiwilligen Schaumbad ein Handicap mehr auf dem Pelz, das wir Menschen ihm auferlegen. Denn seine Identität ist bis zum nächsten Wälzerlebnis erst einmal in einer Duftwolke verschwunden. Erst die Entwicklung seines Eigengeruches in den nächsten Tagen wird ihm wieder Wohlbehagen bescheren. Aber zuerst mal sitzt er wie ein begossener Pudel in der Ecke, träumt vielleicht von einem Leben als echter Hund und das Missverständnis ist einmal mehr an der Tagesordnung.
Die Vorkoster
Emotionen und Gefühle, die wir in das Verhalten von Tieren hineininterpretieren, sind in Wirklichkeit fast immer natürliche Verhaltensbausteine. Es sind Strategien, genetisch im Tier verankert, die das Überleben sichern helfen. Die Natur hat dafür gesorgt, dass das entsprechende Verhalten unumstößlich ist. Emotionen hingegen sind etwas, das den Menschen vom Tier unterscheidet.
Wir Menschen schleppen ganze Koffer voll alter und uralter Erfahrungen mit uns herum. Dass das zu Verwirrungen führt
und uns oft daran hindert, die Fakten klar zu erkennen, liegt auf der Hand. Die Sichtweise der Tiere ist hingegen klar und einfach strukturiert. Dabei ist »einfach« nicht herablassend zu verstehen oder gar abwertend, ganz im Gegenteil: Eine klare Sichtweise führt zu lösungsorientierten Entscheidungen. Natürlich kann ein Tier Angst, Freude, Schmerz oder Trauer empfinden und sein Verhalten entsprechend ändern. Tiere leben im Moment, und sie bevorzugen immer eine Komfortzone, in der sie sich »gut fühlen« und so natürlich auch bestens für ihr Überleben sorgen. An erster Stelle steht immer das Überleben der Spezies. Um das zu sichern, hat die Natur eine Reihe von Instinkten vorgesehen, die schnellste Reaktionen ermöglichen. Und zum Teil führen sie zu einem Verhalten, das nicht mit unserem menschlichen Verhalten konform geht und das wir deshalb nicht verstehen.
Erinnern Sie sich an meine beiden Wildschweine, mit denen ich anfangs gemeinsam hungerte? In diesem Jahr hatte Luise das erste Mal selbst Frischlinge. Als Oberhaupt ihrer Familie lebt sie im Forst inmitten ihrer Rotte. Trotz meiner menschlichen »guten Schule« hat sie all ihre Jungtiere großgezogen. Obwohl sie von Menschenhand aufgezogen wurde, sind all ihre Überlebensstrategien und Instinkte hellwach und voll im Einsatz. Als Anfang Dezember sehr viel Schnee fiel, fütterte der Förster der Rotte im Wald Mais zu. Dabei konnte ich beobachten, dass Luise erst ihre Jungtiere zum Futter schickte, um zu prüfen, ob »die Luft rein« ist, bevor sie sich selbst auf den Weg zu den Köstlichkeiten machte. Das Prinzip des Vorkosters wird genutzt. Tiere mit niedrigem Rang, meist Jungtiere, werden von der eigenen Mutter in die Gefahrenzone geschickt, und die Mutter beobachtet, was geschieht. Dasselbe Verhalten können wir auch bei Ratten beobachten, die ausgelegte Köder von solch einem Vorkoster testen lassen. Doch welche Mutter opfert ihr Kind für die Mehrheit und somit den Erhalt der Spezies
? Doch wohl nur eine, die in diesem Moment keine Emotionen empfindet, sondern rein instinktiv handelt.
Besonders gern liege ich auf
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