Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Nach dem Studium des Drehbuchs und der genauen Vorstellungen der Regisseurin kam für die anspruchsvollen Pferdeszenen nur einer in Frage: ein sportlicher, muskulöser Tausendsassa namens Junior. Regaleweise Trophäen und Schleifen hat der schwarzhaarige Schöne in seinem vierzehnjährigen Leben schon nach Hause getragen. Genau so einen Showman mit Turniererfahrung brauchte ich für diesen Film.
Schwarze Pferde haben es mit unserer menschlichen Wahrnehmung leichter als die »so gefährlichen« schwarzen Hunde. Ob Fury, Black Beauty oder der berühmte Schwarze Hengst, alle werden mit Adjektiven wie edel, schön, mutig, klug, schnell, rassig verbunden. Ein schwarzer Hengst mit glänzendem Fell und wehender Mähne ist der Traum eines jeden Mädchens – und damit sind wir schon mitten im Schloss Faber-Castell, in das wir diese kluge, mutige, rassige Schönheit auf seinen vier wertvollen Beinen erst einmal bringen mussten. Das Schloss der Dynastie der Buntstifte in Stein bei Nürnberg war der
Schauplatz für das Internat Lindenhof, in dem Hanni und Nanni so einiges lernen sollten und einiges andere durcheinanderbringen würden. Zuerst einmal musste unser Filmpferd lernen, wie man Treppen hochsteigt, ein Fenster schließt und auf vier gestiefelten Beinen im Schloss umherwandert.
Das Vertrauen eines Pferdes zu gewinnen, ist eine ungemein hohe Auszeichnung für den Menschen, denn damit übergibt es seine Sicherheit in unsere Hände. Die Natur hat diese wunderschönen Tiere zum Flüchten ausgestattet. Sobald auch nur das geringste Anzeichen von Gefahr in der Luft liegt, zeigen Pferde ihre wahren Qualitäten und werden unglaublich schnell. Junior sollte in diesem Fall aber nicht schnell werden. Das Drehbuch sah vor, dass er in aller Gemütsruhe durch das Schloss gehen sollte, und das mit Schuhen an allen vier Hufen, er sollte Fenster öffnen und schließen, Türen aufdrücken, Lehrer im Badezimmer erschrecken, Plastikblumen verspeisen, in unglaublich engen Gewächshäusern entspannt mit vierzig Filmleuten Karotten aus Körben holen und dabei stets freundlich lächeln. Ich erwähne es lieber noch einmal: Wir sprechen von einem Fluchttier!
Wie bringen wir unser Fluchttier in das Bleistiftschloss, das zudem noch mit einem wertvollen Marmorboden aus dem 19. Jahrhundert ausgestattet ist? Nicht dass dieser Boden nur wertvoll ist, er ist auch, wie das gesamte alte Schloss, als Denkmal geschützt und sicherlich nicht pflegeleicht. Seit 1846 wird dieser Boden gehegt und gepflegt und von unzähligen fleißigen Händen spiegelblank gewienert. Dies zum Arbeitsplatz unseres Filmpferdes. Pferde halten sich gewöhnlich nicht auf spiegelglatten Flächen auf, da sie diese erst gar nicht betreten. Doch über diesen Boden sollten nun Hanni und Nanni Brasil in einer Nacht-und-Nebel-Aktion führen, im Schloss verstecken und somit vor dem sicheren Verkauf retten.
Für die Aufnahmen, in denen die Hufe des Pferdes nicht zu
sehen sind, wurde der Marmorboden mit großen rutschfesten Matten ausgelegt. Nicht nur diese Gefahr war gebannt, auch der Lärm, den vier Pferdehufe auf Marmor verursachen, wurde so eingedämmt. Hunderte zusammengerollte Matten wurden in einem Raum des Schlosses deponiert und vor Juniors Auftritt ausgelegt. Wie eine Straße lagen die Matten vom Eingang weg durch Gänge, Treppenhäuser und Hallen bis zu den eigentlichen Drehorten für die Pferdeszenen. Sicherlich waren in Nürnberg und Umgebung graue Schmutzmatten ausverkauft. Es gibt Hufschuhe für Pferde, damit sie auf glattem Untergrund nicht wegrutschen. Für Auftritte in Fernsehstudios werden Pferde immer damit ausgestattet. Kameras sind teuer und Pferde auch. Ein kurzer Ausrutscher des Pferdes kann schon zu einem langen Auftritt des Pferde-Physiotherapeuten führen. Hufschuhe sind aus Kunststoff und haben unten eingearbeitete Noppen, sie sehen aus wie Schneeschuhe für zehenlose Eskimos . Juniors Hufe steckten nun in solchen Schuhen, falls er unvorhergesehen von der Schmutzmattenstraße abkommen sollte. Auch bei einem außergewöhnlichen Pferd wie Junior, der seinen Menschen uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringt, kann es durchaus vorkommen, dass ihn irgendetwas oder irgendjemand erschreckt. Auf solche Situationen muss ich vorbereitet sein, indem ich Sicherheitsvorkehrungen für den schlimmsten Fall treffe. Der wäre die Flucht des Fluchttieres auf dem wertvollen Boden, ein Desaster für den Marmor und die Schlossbesitzer. Ein Schaden, der durch meine Versicherung
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