Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Ordnung kommt ins Wanken. Überall auf der Welt besuche ich Tierheime, aber hier stieß ich an meine emotionalen Grenzen. Die Unterbringung ließ keine Grausamkeit aus. Im Todestrakt, wo die armen Kreaturen saßen und nicht wussten, warum wir Menschen auf eine derartig gnadenlose Weise mit ihnen umgehen, entdeckte ich ein zusammengekauertes, verklebtes Fellbündel, in seinen eigenen Exkrementen liegend, das offensichtlich längst mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Der Gefangene hing an einer Kette, die an einer Mauer befestigt war. Darauf konnte man die laufende Nummer ablesen, in diesem Fall die 41. Die Augen des Hundes öffneten sich für einen Moment, und unsere Blicke trafen sich. Dann schloss das Tier seine Augen wieder und ergab sich weiterhin in sein
Schicksal. Für mich war diese Sekunde ein magischer Moment. Diese braunen, traurigen, so unendlich müden Hundeaugen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Während ich das aufschreibe, kann ich den Gestank dieser Tierverwahrungsanstalt erneut fast körperlich wahrnehmen, den scharfen Geruch, der sich nicht nur in meine Atemwege brannte, sondern auch in mein Gehirn. Wie viele dieser Tiere haben sich wohl dafür entschieden, dem Menschen nie wieder Vertrauen entgegenzubringen? Welche Konsequenz löst dieser Zwangsaufenthalt bei Tieren aus und wie lange benötigen sie, so sie überhaupt jemals lebendig hier herauskommen, um wieder zur Besinnung zu kommen?
Keiner der Verantwortlichen war der englischen Sprache mächtig und mit meinen spärlichen Bröckchen Portugiesisch konnte ich zu einer vernünftigen Konversation nicht wirklich viel beitragen. So bediente ich mich der Körpersprache, die leider keine internationale Anerkennung findet, obwohl sie doch so wunderbar funktioniert. Ich bat auf diese Weise um Unterstützung und Hilfe für Nummer 41.
Die Hunde waren alle mit einer derart kurzen Kette an die Mauer fixiert, dass sie sich wohl hinlegen konnten, jedoch der Kopf nicht abgelegt werden konnte, ohne dass sie Gefahr liefen, sich zu erdrosseln. Gern hätte ich Kontakt zum Hund 41 aufgenommen, draußen, ohne das ständige Bellen und Winseln der armen anderen Tiere. Der Pfleger erklärte mir mit Händen, Füßen und Zähnen, dass er den Hund nicht herausführen könnte, er würde beißen. Leider musste ich an diesem Tag unverrichteter Dinge die Stätte des Elends verlassen.
Ich wusste, dass das Tier drei Tage später vergast werden sollte, und setzte mich noch während meiner Rückreise nach Deutschland mit einer portugiesischen Kollegin in Verbindung. Diese Frau ist ein Engel und hat den Namen eines Engels: Ana Christina Madeira Guerra Goncaelves. Sie »reservierte«
Nummer 41 und rettete ihn mit diesem Anruf vor dem Tod. Der portugiesische Engel übernahm die ganze Logistik, und so konnte ich den Hund eine Woche später aus der »Todeszelle« abholen. Wieder flog ich nach Lissabon, wo mein Engel mich am Flughafen abholte und mit mir an einem sonnigen Samstagmorgen um neun, bestückt mit einer geräumigen Transportbox, vor den Toren des Tierheimes in Lissabon stand, um das Kapitel »Tod für Nummer 41« um Jahre zu verschieben.
Nach einer maßlos übertriebenen Personenkontrolle, die fast einer Leibesvisitation gleichkam, warteten wir in dem großen Raum der angeketteten Todeskandidaten. Ein Hund hatte sich während der Nacht erwürgt und hing leblos an seiner Kette, Nummer 193 hatte sich selbst erlöst. Sobald der Pfleger sich meinem Sorgenkind Nummer 41 näherte, knurrte es und fletschte die Zähne. Kurzfristig wurde ich unsicher, ob mein Instinkt mir vielleicht einen Streich gespielt hatte und der von mir als sanft eingestufte Hund doch eine bissige »Bestie« war. Dann erinnerte ich mich an unseren Blickkontakt und sah erneut in seine sanften, braunen Augen. Es waren »gute Augen«, und ich war mir sicher, dass dieser Hund in keiner Weise aggressiv ist, sondern aus seinen Erfahrungen mit den Pflegern diese Grundhaltung zeigte. Ich nahm das mitgebrachte Halsband, fasste mir ein Herz, legte es dem Hund um den Hals und befreite ihn von der todbringenden kurzen Kette, die ihn zur Nummer 41 gemacht hatte. Das Tier zeigte keinerlei Aggression und verließ mit uns die zurückgebliebenen 198 Todeskandidaten, die sich die Seele aus dem Leib bellten. Von Nummer 1 bis Nummer 200 waren die in der Mauer eingelassenen Ketten beschriftet und besetzt. Ich konnte nicht anders, ich nahm noch eine weitere dieser armen Kreaturen mit auf den Weg nach Deutschland. Dank Ana
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