Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Tisch und verzog sich wieder.
Brunetti nahm eine Brioche. Bald wäre Zeit zum Mittagessen, aber er hatte an diesem Vormittag bereits die Leiche eines Ermordeten gesehen, seinem Lieblingsschüler Pucetti den Kopf zurechtgerückt, und Signorina Elettra hatte ihn in ein persönliches Gespräch verwickelt; und der Mann, der ihm den Kaffee gebracht hatte, war Afrikaner und trug ein langes weißes Gewand. »Wenn wir mal in Rente gehen, kommt Signorina Elettra in Ballkleid und Diadem zur Arbeit, und Bambola opfert Hühner im Hinterzimmer«, bemerkte er zu Vianello und biss in seine Brioche.
Vianello nippte an seinem Kaffee, nahm sich eine Rosinenschnecke und sagte: »Wenn wir in Rente gehen, ist Italien eine chinesische Kolonie, und Bambolas Kinder haben Lehrstühle an der Universität.«
»Letzteres würde mir gefallen«, sagte Brunetti. »Hast du mal wieder deine Katastrophenbücher gelesen, Lorenzo?«
Vianello beantwortete die Frage mit einem freundlichen Lächeln. Er und Signorina Elettra waren die erklärten Umweltschützer in der Questura, auch wenn Brunetti in letzter Zeit bemerkt hatte, dass ihre Anhängerschaft wuchs; es war schon lange her, dass ein Kollege sie hinter vorgehaltener Hand als talibano dell’ecologia bezeichnet hatte. Foa hatte kürzlich verlangt, in Zukunft solle bei der Anschaffung von Polizeibooten der Treibstoffverbrauch berücksichtigt werden; aus Furcht vor Signorina Elettras Zorn achtete jeder darauf, seinen Abfall in den richtigen der in jeder Etage aufgestellten Behälter zu entsorgen; und selbst Vice-Questore Patta ließ sich gelegentlich dazu überreden, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
»Übrigens«, fuhr er fort, »es fehlte nicht viel, und Signorina Elettra hätte vorhin Anklage gegen Kühe erhoben, oder vielmehr, ich habe sie davon abgehalten. Kannst du dir erklären, was das soll?«
Vianello nahm sein zweites Teilchen, ein ziemlich trocken aussehendes Ding mit Nusssplittern. »Wir leben nicht mehr in Heidis Zeiten, Guido«, sagte er und biss hinein.
»Und das heißt?«, fragte Brunetti und griff ebenfalls nach seinem zweiten Teilchen.
»Das heißt, dass es zu viele Kühe gibt und wir es uns nicht mehr leisten können, sie zu züchten oder zu essen.«
»Und wer ist ›wir‹?«, fragte Brunetti und nahm einen Bissen.
»›Wir‹ sind die Leute in den Industrieländern – was bloß ein Euphemismus für reiche Länder ist –, die zu viel Rindfleisch und zu viele Molkereiprodukte zu sich nehmen.«
»Fürchtest du Schäden für deine Gesundheit?«, fragte Brunetti wegen der Cholesterinwerte, auf die er selbst nie einen Gedanken verschwendet hatte. Er hätte zu gern gewusst, wann und wo Vianello und Signorina Elettra ihre Gruppentreffen abhielten.
»Nein, nicht direkt«, meinte Vianello plötzlich ernst. »Ich denke an die armen Teufel in den Ländern, die wir nicht mehr unterentwickelt nennen dürfen und deren Wälder gerodet werden, damit Großkonzerne dort Rindfleisch produzieren können, um es an reiche Leute zu verkaufen, die es eigentlich sowieso nicht essen sollten.« Seine Kaffeetasse war leer; er nahm einen Schluck Wasser und überraschte Brunetti mit der Bemerkung: »Ich möchte lieber nicht weiter davon reden. Erzähl mir von dem Mann.«
Brunetti zückte einen Kugelschreiber, nahm eine Serviette und fertigte eine grobe Zeichnung der Mordwaffe an, wie Bocchese sie ihm skizziert hatte, wobei er besonders auf die gekrümmte Klinge achtete. »Mit so einem Messer wurde er getötet. Etwa zwanzig Zentimeter lang, ziemlich schmal. Drei Stiche ins Kreuz, rechts. Im Bericht – ich habe ihn nicht vorliegen – steht sicher, was genau dabei verletzt wurde, aber Rizzardi sagt, er ist verblutet.«
»Im Wasser?«, fragte Vianello und legte sein Teilchen auf den Teller zurück.
»Er hat noch lange genug gelebt, um etwas Wasser zu schlucken, aber nicht lange genug, um zu ertrinken. Bocchese und ich haben darüber gesprochen, wo und wie es sich abgespielt haben könnte. Entweder in einem Boot, was mir unwahrscheinlich vorkommt – zu großes Risiko, gesehen zu werden, und Bocchese sagte, dass an seiner Kleidung nicht die dafür typischen Verschmutzungen nachzuweisen waren. Oder er wurde in einem Haus angegriffen und durch die porta d’acqua in den Kanal befördert; oder vielleicht am Ende einer calle, die auf einen Kanal stößt, und da haben sie ihn reingeworfen.«
»So oder so, Augenzeugen kann es immer geben«, meinte Vianello. »Oder Ohrenzeugen.«
»In einem Haus
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