Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Videos.
Er tippte Pucettis Adresse ein und leitete die Mail mit den Videos an ihn weiter, machte den Computer aus und ging nach unten, um Pucetti persönlich aufzusuchen.
8
Brunetti blieb in der Tür zum Bereitschaftsraum stehen und sah sich erst einmal um. Vianello, der mit Dondini, dem neuen Rekruten sprach, stand mit dem Rücken zur Tür. Pucetti, der sich offenbar noch nicht von der letzten Auseinandersetzung erholt hatte, saß mit gesenktem Kopf an seinem Tisch und schien seine Umgebung so wenig wahrzunehmen wie die Papiere, die vor ihm ausgebreitet lagen. In einem dunklen Winkel seiner Seele war Brunetti froh, den Jüngeren so geknickt zu sehen: Es würde ihnen allen viel Ärger ersparen, wenn er sich beim Verstoß gegen Vorschriften und vielleicht sogar gegen das Gesetz künftig vorsehen würde.
»Pucetti«, rief er. »Ich muss Sie um einen Gefallen bitten.« Er ging zu ihm und bedeutete Vianello, auch dazuzukommen.
Pucetti sprang auf, salutierte aber immerhin nicht mehr vor seinem Vorgesetzten. »Ich habe den Mann gefunden, den man heute früh aus dem Kanal geholt hat. Haben Sie den Bericht gelesen?«, fragte Brunetti.
»Ja, Signore«, sagte Pucetti.
»Es gibt einige Videos von dem Bauernprotest auf der Autostrada voriges Jahr. Er war dabei.«
»Sie meinen, wir haben ihn festgenommen?«, fragte Pucetti sichtlich verblüfft. »Und niemand hat sich daran erinnert?« Seinem Ton war anzuhören, dass er sich mit Sicherheit daran erinnert hätte, aber Brunetti ließ das durchgehen.
»Nein. Er war da, aber nur als Zuschauer. Erkennungsdienstlich behandelt wurde er nicht«, sagte Brunetti. »Auf einem der Videos sieht man ihn unbeteiligt am Straßenrand stehen.«
Pucetti sah ihn wissbegierig an.
»Sie könnten mir in einer Sache behilflich sein«, sagte Brunetti lächelnd, worauf der Jüngere wie ein Jagdhund auf einen vertrauten Pfiff hin in Lauerstellung ging.
Jetzt kam auch Vianello dazu und fragte: »Was hast du gefunden?«
»Ein Video mit dem Mann, der heute früh auf Rizzardis Tisch gelandet ist«, antwortete Brunetti und bereute die Formulierung sofort. »Er wurde zufällig gefilmt, bei dem Bauernprotest auf der Autostrada voriges Jahr.« Er wies Pucetti auf die E-Mail hin, die er ihm geschickt hatte, und sagte: »Versuchen Sie, ob Sie Standbilder von dem Mann ausdrucken können.«
»Nichts einfacher als das«, sagte Pucetti mit gewohntem Eifer. »Wo finde ich ihn?«
»Im vierten Clip. Der Mann hat einen dunklen Bart, Schultern und Hals auffällig dick. Versuchen Sie den Film an einer Stelle anzuhalten, wo er deutlich genug zu sehen ist, dass wir das Bild zur Identifizierung verwenden können.« Ohne das näher zu erklären, fügte er hinzu: »So, wie er jetzt aussieht, können wir kein Foto von ihm herumzeigen.«
Pucetti sah zu dem Computer hinüber, der von der Bereitschaft schon seit Jahren benutzt wurde. »Es wäre viel einfacher, wenn ich das zu Hause an meinem eigenen PC machen könnte, Signore.« Offenbar konnte er es kaum erwarten, von der Leine gelassen zu werden.
»Dann tun Sie das. Falls jemand fragt, sagen Sie, es gehört zu den Mordermittlungen«, riet ihm Brunetti, der wusste, dass solche Fragen nur einer stellen konnte: Tenente Scarpa, das Schreckgespenst der Uniformierten, Pattas Assistent und Wachhund. Besser jedoch, der Tenente erfuhr erst gar nichts, und so korrigierte Brunetti sich: »Nein, falls jemand fragt, sagen Sie, ich hätte Sie nach San Marco geschickt, um von der dortigen Wache ein paar Unterlagen abzuholen.«
»Ich werde mich so unverfänglich wie möglich ausdrücken, Signore«, sagte Pucetti mit ernster Miene. Vianellos Grinsen entging Brunetti nicht.
»Gut.« Brunetti wandte sich an Vianello: »Wir haben noch zu tun.« Er sah auf die Uhr, um anzudeuten, dass es Zeit für einen Kaffee war.
Pucetti war schon losgegangen, ehe Vianello seine Jacke von seinem Schreibtischstuhl geholt hatte.
Auf dem Weg zu der Bar am Ponte dei Greci unterrichtete Brunetti Vianello vom Ergebnis der Autopsie und von der seltenen Krankheit des Mannes und erzählte auch, dass er sich an ihn erinnert und ihn dann auf dem Video entdeckt habe, von dem Pucetti bei sich zu Hause Standbilder ausdrucken sollte.
Immer noch redend, betrat Brunetti als Erster die Bar. Bambola, der Gehilfe des Inhabers, nickte zum Gruß, als sie an ihm vorbei nach hinten durchgingen. Minuten später brachte er zwei Kaffee, zwei Glas Wasser und einen Teller mit vier Gebäckstücken, verteilte alles auf dem
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