Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Freund im Gesundheitsamt für das Veneto. Ich kann ihn bitten, einmal nachzusehen, ob es ein zentrales Register gibt für diese Krankheit…«
»Madelung«, sagte Brunetti. Sie bedachte ihn mit einem Blick, der ihm zeigte, dass diese Bemerkung überflüssig gewesen war.
»Danke«, sagte sie zum Zeichen, dass sie ihm das nicht übelnahm. »Vielleicht gibt es Zahlen für das Veneto, wenn Leute deswegen behandelt werden.«
»Rizzardi hat gesagt, er will eine Kollegin in Padua anrufen«, bemerkte Brunetti, um ihr die Mühe zu ersparen.
Sie schnaubte verächtlich. »Die verlangen womöglich eine offizielle Anfrage. Ärzte.« Sie sprach das Wort aus, als handle es sich um eine niedere Insektenart. »Das kann Tage dauern. Oder noch länger.« Brunetti begrüßte die Diskretion, mit der sie verschwieg, wie schnell ihr Freund die gewünschte Auskunft beschaffen könnte.
»Er stand auf der Fahrspur nach Süden, als ich ihn gesehen habe«, sagte er plötzlich.
»Das bedeutet?«
»Dass er aus dem Friaul gekommen sein könnte. Könnten Sie Ihren Freund fragen, ob die auch solche Register führen?«
»Selbstverständlich«, sagte sie liebenswürdig. »Die Demonstranten auf der Straße haben gegen die neuen Milchquoten protestiert, oder? Weil sie weniger produzieren sollten?«
»Richtig.«
»Gierige Idioten«, sagte sie mit verblüffender Heftigkeit.
»Sie scheinen sich da sehr sicher zu sein, Signorina«, bemerkte er.
»Und ob ich das bin. Es gibt zu viel Milch, es gibt zu viel Käse, es gibt zu viel Butter, und es gibt zu viele Kühe.«
»Gemessen woran?«, fragte er.
»Am gesunden Menschenverstand«, sagte sie hitzig, und Brunetti fragte sich, wo er da hineingeraten war.
Paola kochte mit Öl, nicht mit Butter; ihm würde schlecht, wenn er ein Glas Milch trinken müsste, Käse aßen sie auch nicht viel, und Chiaras Prinzipien hatten längst dafür gesorgt, dass bei ihnen kein Rindfleisch mehr auf den Tisch kam; demnach war Brunetti, zumindest was dieses Thema anbelangte, auf Signorina Elettras Seite. Trotzdem verstand er nicht, was sie so in Wallung brachte, wollte dem aber nicht nachgehen.
»Falls Ihr Freund Ihnen etwas melden kann, sagen Sie mir bitte Bescheid.«
»Natürlich, Commissario«, sagte sie wieder gewohnt freundlich und wandte sich ihrem Computer zu. Brunetti ging, um sich die Videoaufzeichnungen von den Ereignissen im letzten Herbst anzusehen.
Auf der Treppe zu seinem Büro erinnerte er sich daran, dass er nun selbst Zugang zu allen Videos hatte, die in dem neuen System gespeichert waren.
Er machte seine E-Mails auf und fand den Link. Sekunden später hatte er den Originalbericht auf dem Bildschirm, dazu die Notizen der Beamten, die damals vor Ort gewesen waren. Nachdem er alles gelesen hatte, öffnete er problemlos den Ordner mit den Videoaufzeichnungen der Polizei und des Regionalsenders. Als er gleich im ersten Clip einen Kleinbus mit dem Logo von Televeneto in Flammen aufgehen sah, verstand er, warum der Sender so bereitwillig kooperierte.
In den ersten zwei Clips, beide nur wenige Sekunden lang, war nichts von dem Mann zu sehen, im dritten auch nicht. Wohl aber im vierten. Er stand, wie Brunetti es in Erinnerung gehabt hatte, auf dem Grünstreifen der Autostrada. Obwohl er nur kurz über den Bildschirm flimmerte, waren sein Kopf und der auffällige Hals deutlich vor einem roten Auto zu sehen, das mitten auf der Straße parkte. Ein paar Leute, drei Männer und eine Frau, standen neben ihm und starrten alle in dieselbe Richtung. Dann vergrößerte sich der Bildausschnitt und zeigte eine Reihe behelmter Männer, die hinter transparenten Schilden Seite an Seite im Gleichschritt vorwärtsstürmten. Ende des Videos.
Brunetti klickte das nächste an. Diesmal befand sich die Kamera hinter den Carabinieri, die in geschlossener Front auf die wütenden Bauern zumarschierten und sich vor einem brennenden Auto in zwei Gruppen aufteilten. Der nächste Clip war offenbar mit einem telefonino aufgenommen worden, die Quelle war nicht angegeben: entweder ein Polizist oder irgendein Schaulustiger, dessen Handy man beschlagnahmt hatte. Zu sehen war ein Mann, der einem Carabiniere einen Eimer mit einer braunen Flüssigkeit an die Brust knallte. Der Getroffene schlug mit seinem Schlagstock zurück und traf den Unterarm des Demonstranten, worauf der Eimer überschwappte und nach rechts aus dem Bild verschwand. Der Mann krümmte sich, hielt sich den Arm und wurde von zwei Carabinieri zu Boden gestoßen. Ende des
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