Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
Plural?«
»Eins hier in der Stadt, eins in Mestre, wohin ihr Gehalt überwiesen wird, und eins bei der Post.« Mit kaum verhohlener Verachtung fügte sie lächelnd hinzu: »Die Leute scheinen sich einzubilden, dass niemand auf die Idee kommt, dort nachzuforschen.«
»Und was noch?« Mit ihrer Art vertraut, wusste er genau, dass sie noch mehr in petto hatte.
»Meucci. Er hat in den letzten zwei Tagen dreimal auf Signorina Borellis Handy angerufen; außerdem hat sich herausgestellt, dass er gar kein Tierarzt ist.«
»Was?«
»Er hat vier Jahre in Padua studiert und die meisten Prüfungen bestanden, ist aber anscheinend zu den letzten vier nicht angetreten; nichts weist darauf hin, dass er den Abschluss gemacht oder die Approbation erhalten hat.«
Brunetti wollte schon fragen, wie es möglich sei, dass die Gesundheitsbehörde der Provinz ihm eine Stelle als Tierarzt in einem Schlachthof gegeben hatte, oder mit welchen Tricks er an eine Privatpraxis gekommen sein könnte, hielt sich aber noch rechtzeitig zurück. Kaum eine Woche verging, ohne dass ein falscher Allgemeinmediziner oder Zahnarzt entlarvt wurde; warum sollte die andere Patientensorte einen Betrug weniger wahrscheinlich machen?
Er entschloss sich auf der Stelle. »Rufen Sie in seiner Praxis an, um herauszufinden, ob er da ist. Fragen Sie, ob Sie Ihre Katze oder was weiß ich wen vorbeibringen können – Hauptsache, Sie finden heraus, ob er da ist. Falls ja, schicken Sie Foa und Pucetti hin, die sollen ihn fragen, ob er hierherkommen und mit mir reden möchte.«
»Mit Vergnügen, Signore«, sagte sie. »Inzwischen können Sie sich ansehen, was wir über Signorina Borelli haben.«
Brunetti nahm die Mappe, um sie in seinem Büro durchsehen zu können, ging dann aber in den Bereitschaftsraum, wo er Foa und Pucetti genauere Instruktionen gab und Pucetti einschärfte, Meucci nur mit »Signore« anzureden, nicht mit »Dottore«. Und wo er schon unten war, nahm er die Akte mit in die Bar am Ponte dei Greci und genehmigte sich dort einen Kaffee und zwei tramezzini.
Zurück im Büro, rief er Paola an und erkundigte sich, was es zum Abendessen gebe. Um ihr eine Freude zu machen, fragte er, wie sie sich fühle, nachdem sie die Vertragsverlängerung ihres Kollegen erfolgreich hintertrieben hatte.
»Wie Lucrezia Borgia«, sagte sie lachend.
Brunetti musste lange nach einem Aufnahmegerät suchen und fand schließlich eines ganz hinten in der untersten Schublade. Er ließ das Gerät kurz zur Probe laufen und stellte es dann deutlich sichtbar mitten auf den Schreibtisch. Dann schlug er die Akte auf und begann zu lesen, war aber gerade erst bei den Beträgen, die Signorina Borelli für die Wohnung in Mestre und die eine in Venedig bezahlt hatte, als er ein Geräusch an seiner Tür vernahm.
Es war Pucetti, und neben ihm stand Meucci, der etwas von einem Reifen hatte, aus dem die Luft entwichen war. Besonders deutlich war das im Gesicht: Die Augen schienen vergrößert, die Wangen waren eingefallen und hingen schlaff über dem kleinen Mund herab, weniger Fleisch drängte an den Wall seines Kragens.
Auch sein Körper wirkte kleiner, aber das mochte an dem dunklen Wollsakko liegen, das er heute anstelle des wallenden Laborkittels trug.
Pucetti ließ Meucci eintreten und schloss hinter ihm die Tür. Dann verhallten seine Schritte draußen im Gang.
»Treten Sie näher, Signor Meucci«, sagte Brunetti kühl. Er beugte sich vor und stellte das Aufnahmegerät an.
Der Mann kam langsam näher, zaghaft wie ein junges Gnu, das gezwungen ist, sich in hohes Gras hineinzuwagen. Sein Blick huschte auf der Suche nach lauernder Gefahr im Zimmer umher. Vorsichtig ließ er sich auf einen Stuhl sinken. Brunetti glaubte erst, es sei ein Aufstöhnen, doch das Geräusch rührte von dem Stuhl her, zwischen dessen Armlehnen Meucci seine von Fleischmassen prall gefüllte Kleidung quetschte.
Der Mann hielt die Lehnen mit beiden Händen umklammert, so dass die fleckigen Finger nicht zu sehen waren, nur die dicken Handrücken.
»Wie sind Sie an die Stelle im macello gekommen, Signor Meucci?«, fragte Brunetti. Keine Begrüßung, keine Höflichkeiten, nur diese schlichte Frage.
Meucci musste sich erst einmal eine Antwort zurechtlegen. »Die Stelle wurde ausgeschrieben, und ich habe mich darum beworben«, sagte er schließlich.
»Wurden Sie aufgefordert, Ihrer Bewerbung weitere Unterlagen beizulegen, Signore?«, fragte Brunetti, wobei er das letzte Wort besonders betonte.
»Ja«,
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