Tierische und andere Offerten
eines Jungen auf die Straße gerollt und Max hoffte im Stillen, dass der Junge auf die Autos achten und seinem Ball nicht nachlaufen würde.
»Maximilian, komm nun endlich!«, drängte die Mutter. – Max musste sich vom Geschehen vor dem Fenster trennen. Er lief den Flur entlang zum Esszimmer, dabei kam er an der großen alten Uhr vorbei, die er gar nicht leiden mochte. Sie war ein Erbstück seines Urgroßvaters und passte so gar nicht in das neumodische Zeug seiner Eltern. Außerdem tickte sie so laut, dass sich Max manchmal vorstellte, es wäre ein fremdartiges Tier, das schlief und seltsame Schnarchgeräusche machte. Aber wehe, wenn es aufwachte und zu schreien begann. Doch nun konnte es das nicht mehr, den Gong hatten seine Eltern glücklicherweise ausgeschaltet. Max betrat das Esszimmer, in einem Laufgitter an der Wand lagen seinebeiden Zwillingsschwestern Mara und Lina. Ausnahmsweise waren sie mal still. Max konnte seine Schwestern nicht ausstehen. Seine Eltern hatten schon immer wenig Zeit für ihn gehabt, da die Arbeit immer vorging, aber als die beiden Quaken dann auf die Welt kamen, war alles noch viel Schlimmer. Seine Eltern schienen überhaupt keine Notiz mehr von ihm zu nehmen – wenn es jetzt nicht um Arbeit ging, ging es um die beiden Mädchen. Nur das Abendbrot, das es immer erst sehr spät gab, war die einzige gemeinsame Zeit.
Max setzte sich auf seinen Platz und nahm sich eine Scheibe Brot. Und während er es mit Butter beschmierte, erzählte der Vater von seinem Arbeitstag und vom Stau auf der Heimfahrt.
»Wie war es in der Schule, Max?«, fragte er zwischendurch und eher beiläufig.
Max schluckte schnell seinen Bissen runter, um antworten zu können. »Langweilig, wir haben uns die Zahlen eins bis zehn angesehen und das Alphabet.«
»Ich hab doch gesagt, dass es nicht gut ist, wenn der Junge schon vor der Schule lesen lernt«, meinte die Mutter und stand auf, um nach den Zwillingen zu sehen.
»Aber dann hätte ich doch meine Bücher nicht lesen können«, erklärte Max mit vollem Mund.
»Die hättest du jetzt auch noch lesen können!«, rief die Mutter aus dem Nebenraum zurück, sie hatte einen Latz für Mara geholt und nahm sie jetzt zum Füttern auf den Schoß.
Damit hatte sich die Unterhaltung zum Thema Max für diesen Abend erledigt. Max ging erst eine Woche lang zur Schule. Er hatte sich sehr darüber gefreut, endlich eingeschult zu werden und so viele interessante Dinge zu lernen, aber nun fand er alles ziemlich öde und langweilig. Sie redeten dort nur über Dinge, die er schon längst kannte. Seine Oma hatte ihm schon vor einiger Zeit die Buchstaben gezeigt, als er noch zu ihr durfte und nicht die Zwillinge. Da er sehr viele Bücher hatte, begann er deren Buchstaben aneinanderzureihen. Bald hatte er seine Kinderbücher gelesen und mogelte die Bücher aus dem Bücherschrank des Vaters in sein Zimmer.
Niemand hätte je vermutet, dass der 6jährige Max wissenschaftliche Bücher lesen würde. Aber wenn Kinder oft allein sind, kommen sie auf die merkwürdigsten Ideen. Max lernte und las.
Nach dem Abendbrot wusch sich Max, putzte die Zähne und kehrte in sein Zimmer zurück. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihm, dass es schon spät war. Die Straßen wurden langsam menschenleer und es begann zu dämmern. Die Mutter kam, um gute Nacht zu sagen. Das Licht der Zimmerlampe schimmerte auf ihren langen blonden Haaren, die meist zu einem Knoten zusammengebunden waren. Sie nahm ihre Brille von der Nase und putzte sie mit dem T-Shirt.
»Max, denk bitte daran, Tamara morgen den Briefumschlag zu geben!«, mahnte sie Max, als sie schon auf dem Weg aus dem Zimmer war.
Max nickte. Natürlich würde er an den Briefumschlag denken. Tamara kam einmal in der Woche und putze die Wohnung. Einen Tag in der Woche war außer ihm auch noch jemand anderes vor 18:00 Uhr zu Hause.
Tamara konnte er gut leiden. Sie studierte Biologie, war klug und unterhielt sich gerne mit Max. Dafür half er ihr beim Saubermachen. Es war schön, sich mit jemandem auszutauschen. Die Kinder im Kindergarten,die nun fast alle in seiner Schulklasse waren, verstanden ihn nicht. Sie spielten lieber mit Legosteinen oder tauschten Karten. Wenn er dann mit der Fotosynthese ankam, schoben sie ihn einfach zur Seite.
Oft fragte er seine Eltern nach einem Hund oder einer Katze, vielleicht ja auch nur ein Meerschwein oder ein Hamster – so große Ansprüche hatte er ja nicht. Aber seine Eltern wollten davon nichts wissen. Tiere machen
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