Tiffany Duo 134
Laufen.“
„Sie laufen?“
„Fast jeden Morgen.“ Sie schlug den Weg zum Hauptzelt ein, vor dem es eine Kochstelle gab. „Es macht mir Spaß, und man bleibt fit dabei. Nachdem Tim vorhin über Funk von Mahmoud erfahren hatte, dass wir Besuch bekommen, hat er mich geholt.“
„Und dann stellt sich heraus, wer dieser Besuch ist.“
„Ja.“ Ihre Blicke kreuzten sich, und um diese vollen, ungeschminkten Lippen huschte ein Lächeln.
Er wollte von diesen Lippen kosten. Dieser Impuls war stark und beunruhigend - und beruhte auf Gegenseitigkeit, wie er sah. Ihre Blicke hielten einander für eine Sekunde fest, bevor sie sich abwandte, um sich vor eine große Plastikkiste hinzuknien, die neben der Kochstelle stand.
Es hing nur mit seinen Erinnerungen zusammen. Immerhin war Nora Lowe diejenige gewesen, die ihn gefunden, die ihm das Leben gerettet hatte. Er wusste zwar nicht, warum er so auf sie reagierte, aber er bekam seine Reaktion auch nicht in den Griff. Was sich unter Umständen als ein Problem herausstellen könnte. Wenn sich Fantasie und Wirklichkeit vermischten, konnte man leicht einen falschen Schritt machen. Und ein falscher Schritt kostete in seinem Beruf in der Regel Menschenleben.
„Nehmen Sie irgendetwas in Ihren Kaffee? Er ist stark“, warnte sie, nachdem sie zwei Tassen aus der Kiste genommen und den Deckel wieder zugemacht hatte. „Zwar nicht ganz so stark wie der, den die Beduinen kochen, aber stärker, als die meisten Amerikaner es gewohnt sind.“
„Ich mag meinen Kaffee stark.“
„Gut“, sagte sie resolut und stand auf.
„Läuft Gaines mit Ihnen?“ Vielleicht waren sie ja gar nicht gelaufen, sondern hatten nur die Einsamkeit zu zweit gesucht.
„Soll das ein Witz sein?“ Sie lachte auf und reichte ihm seine Tasse. „Tims Vorstellung von Frühsport erschöpft sich darin aufzustehen. Er hält mich für verrückt.“ Wieder huschte dieses leicht scheue Lächeln um ihren Mund. „So habe ich Sie damals gefunden, wissen Sie. Ich hatte einen ehemaligen Professor von mir im Kibbuz Nir Am besucht, der in der Nähe einer Ausgrabungsstätte lag, und war gerade bei meinem morgendlichen Lauf.
Das wusste er mittlerweile. Damals war ihm ihr Auftauchen wie ein Wunder erschienen. „Komisch. Ich laufe selbst gern, aber mir war vorher nie bewusst, wie unabdingbar Laufen für meine Gesundheit ist.“
Sie lachte.
Plötzlich hörten sie einen lauten Schrei, auf den ein noch lauteres Scheppern folgte. Alex wirbelte herum und sah Timothy Gaines, umringt von durch die Gegend kullernden Flaschen, zwischen den Zelten auf dem staubigen Boden liegen.
Alex grinste. Wahrscheinlich hatte Tim ihn und Nora nicht aus den Augen gelassen und war deshalb über einen Zeltpflock gestolpert.
Aber sein Grinsen verflüchtigte sich rasch. Sein Vorhaben klappte wie am Schnürchen. Alle würden genau das denken, was sie denken, sollten.
Während Alex mit seinem Kaffee in der Hand neben Nora an dem ausgetrockneten Flussbett entlang zur Ausgrabungsstätte schlenderte, kam er sich vor wie ein Schuft. Nora hatte sich neben ihrer Tasse Kaffee noch eine dicke Scheibe Vollkornbrot mitgenommen, die sie mit dem Weichkäse bestrichen hatte, den die Beduinen aus Ziegenmilch herstellten.
Die Wüstenluft war unglaublich klar. Durch den kargen Boden mit seiner von der Sonne ausgedörrten, spärlichen Vegetation zogen sich tiefe Risse. Der Himmel über ihnen war weit und wolkenlos. Ein trockener Windhauch streifte Alex’ Wangen. Er schaute auf die felsige Landschaft und dachte an den Tod.
Aber diesmal war es nicht sein eigener Tod, an den er dachte, sondern der, den andere über das Meer in die Vereinigten Staaten bringen wollten. Er war hier, um diese vielen Toten zu verhindern und den Verräter in ihren eigenen Reihen, den sie nur als Simon kannten, zu fassen. Einen Mann, der entschlossen war, Jonah und die ganze SPEAR , für die auch Alex arbeitete, zu Fall zu bringen. SPEAR war eine von Abraham Lincoln gegründete Organisation, von deren Existenz selbst auf höchster Regierungsebene nur wenige Leute wussten. Sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, den Terrorismus in aller Welt zu. bekämpfen. Ihre Mitglieder hatten sich verpflichtet, Opfer zu bringen. Zu dienen. Werte, die in einer heillosen, zynischen Welt nicht immer zählten, aber die Männer und Frauen von SPEAR hatten sie sich auf die Fahnen geschrieben und waren bereit, nach ihnen zu leben.
Oder für sie zu sterben.
Alex ging neben Nora her und trank ab und zu einen
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