Tiffany Duo 40
sie achtete nicht auf seinen Ruf. Sie legte sich auf den Bauch, wand sich voran, verteilte ihr Gewicht auf dem Eis, so gut es ging, spürte aber immer wieder ein
bedrohliches Knacken unter ihrem Körper. Noch zweieinhalb Meter. Nur
zweieinhalb Meter. In der Theorie ein kurzer Weg. In der Praxis endlos.
Das Eis, an dem er sich festklammerte, begann zu zerbröckeln. Madelyn schob sich
weiter vor, beschleunigte das Tempo und ignorierte ihre eigene Sicherheit. Als das
Eis brach und Ray wieder untertauchte, packte sie ihn am Mantelkragen und zerrte
ihn hoch. Beinahe versank Madelyn zusammen mit Ray im Wasser, aber es gelang
ihr, rechtzeitig nach hinten zu rutschen.
»Ich habe das Seil mitgebracht.« Ihre Zähne klapperten nicht nur wegen der Kälte.
»Wenn ich es über deinen Kopf und unter die Arme schlinge, zieht dich das Pferd
hinaus, okay?«
Er nickte. Seine Lippen waren blau gefroren, aber trotz seiner Schwäche schaffte er
es, erst einen Arm und dann den
anderen zu heben. Madelyn beugte sich vor, um den Strick zu verknoten. Da brach
das Eis unter ihr, und sie fiel in die Tiefe.
Kälte. Nie zuvor hatte sie eine so beißende Kälte verspürt. Sofort wurden alle
Gefühle in ihren Gliedern betäubt. Sie öffnete die Augen, sah ihr Haar vor sich
schweben, und da wusste sie, dass sie sich unter Wasser befand. Über sich nahm sie
nur eine weiße Schicht mit dunklen Flecken wahr. Und Bewegungen - das musste
Ray sein.
Der Gedanke an Ray brachte Klarheit in ihr wirres Gehirn. Irgendwie schaffte sie es, mit Armen und Beinen zu rüdem und sich zur Wasseroberfläche emporzukämpfen,
zu einem der dunklen Flecken, die Löcher im Eis darstellten.
Ihr Kopf tauchte im selben Augenblick auf, wo das Pferd Ray an Land zog. Es war
darauf trainiert, sich nach hinten zu bewegen, sobald es ein Gewicht am Ende des
Seils spürte, das am Sattelknauf befestigt war. Und das hatte es getan. Madelyn griff nach der Eiskante und beobachtete, wie Ray sich auf Hände und Knie aufrichtete.
»Madelyn!« Seine Stimme war ein heiserer Schrei. Hastig streifte er das Lasso ab.
Festklammem - ich muss mich nur festklammern, dachte sie. Sie tat ihr Bestes, aber
ihre Kräfte schwanden. Die Finger rutschten vom Eis ab, das Gewicht ihres Körpers
zerrte sie unweigerlich nach unten. Sie konnte es nicht verhindern. Bald schlug das
Wasser wieder über ihrem Kopf zusammen.
Sie musste wieder nach oben, musste Schwimmbewegungen machen. Ihre
Gedanken verwirrten sich, aber sie kontrollierten ihren Körper einigermaßen, und
als sie schon glaubte, ihre gepeinigten Lungen würden bersten, tauchte sie endlich
wieder auf.
»Halt dich am Eis fest, Madelyn!« befahl Ray, und sie gehorchte blindlings. Nur
durch Zufall landete ihr Arm auf einer Eisscholle.
Das nasse Seil war steif gefroren. Ray bekämpfte die Kälte
und die Lähmung in seinen Gliedern, während er die Schlinge schwang. »Heb den
anderen Arm, damit ich das Lasso darüber werfen kann!«
Doch sie brachte es nicht fertig. Sie war schon zu lange im Wasser, vermochte nur
den Arm zu heben, der auf dem Eis lag und hoffte, das Seil zu fangen, ehe sie wieder unterging.
Während Ray das Lasso warf, versank Madelyns Gesicht im Teich. Die Schlinge legte
sich um den hochgereckten Arm, und er zurrte sie hastig fest, so dass sie das
schmale Handgelenk umschloß. »Zurück! Zurück!« brüllte er das Pferd an, das sich
bereits gegen das Gewicht am Ende des Seils stemmte.
Unter Wasser wurde Madelyn zum Ufer gezogen und dann endlich nach oben. Ray
fiel neben ihr auf die Knie, nacktes Entsetzen in den Augen, bis sie zu würgen und zu husten begann. »Alles ist okay«, beteuerte er und löste den Knoten an ihrem
Handgelenk, um sie zu befreien. »Wir müssen nur noch heim, und alles wird wieder
gut.« Den Gedanken, dass sie es vielleicht nicht schaffen würden, verdrängte er.
Obwohl sie nicht weit vom Haus entfernt waren, würde es ihn seine letzten Kräfte
kosten, den Lieferwagen dorthin zu steuern.
Er konnte Madelyn nicht zum Fahrzeug tragen. Deshalb musste er sie hinschleifen.
»Schlaf nicht ein!« herrschte er sie an. »Mach die Augen auf. Reiß dich zusammen,
verdammt noch mal!«
Madelyn hob die Lider und schaute ihn verständnislos an. Zu seiner Verblüffung
ballte sie eine Hand, versuchte nach ihm zu schlagen, als wollte sie sich für den
unfreundlichen Befehl rächen.
Er öffnete den Wagenschlag und hievte sie auf den Sitz. Reglos und triefnaß blieb sie liegen. Das
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