Tiffany Duo 40
Ellbogen. »Was immer auch geschehen wird«, sagte
sie leise, »wir schaffen es.«
»Nicht ohne die Herde«, entgegnete er mit gepresster Stimme.
»Also gibst du einfach auf?«
Wütend schaute er sie an. Aufgeben? Dieses Wort existierte nicht in seinem
Vokabular.
»Wir werden eben noch härter arbeiten«, fuhr sie fort. »Im letzten Frühling war ich
noch nicht hier. Da hattest du keine
Hilfe. In diesem Jahr werden wir mit vereinten Kräften alle Schwierigkeiten
meistern.«
Sein Gesicht nahm einen weicheren Ausdruck an. Ray ergriff ihre Hand, hielt sie in
den Feuerschein und betrachtete ihre zarten, anmutigen Finger. Keine Arbeit war
Madelyn zu hart. Wegen ihres unermüdlichen Eifers hatte er nicht das Herz, ihr zu
erklären, aus Sorge um ihre Sicherheit würde er, wann immer sie ihn begleitete, die
meiste Zeit damit verbringen, sie im Auge zu behalten.
Das würde sie nicht verstehen. In den sieben Monaten ihrer Ehe war sie vor keiner
Anstrengung zurückgeschreckt - auch nicht vor ihrem Ehemann. Lächelnd erinnerte
er sich an einige Streitigkeiten, an das Glück der Versöhnung. Dieser Gedanke
beschleunigte seinen Pulsschlag. Langweilig waren diese sieben Monate nie
gewesen.
»Du hast recht«, sagte er und drückte ihre Hand an seine Wange. »Wir werden eben
noch härter arbeiten.«
Erst am vierten Tag konnten sie das Haus verlassen. Der Wind war verebbt, wie ein
tiefblaues Gewölbe spannte sich der Himmel über dem Land und schien die bittere
Kälte Lügen zu strafen.
Sie mussten die Gesichter verhüllen, sonst hätten sie in der eisigen Luft nicht atmen können. Und es kostete sie fast übermenschliche Kraft, allein nur zum Stall zu
gelangen, um dort nach den Tieren zu sehen.
Die Kuh fühlte sich sichtlich elend, und ihr berstend volles Euter schmerzte so heftig, dass sie mehrmals nach Ray trat, als er sie zu melken versuchte, immer wieder
musste er aufhören und von neuem anfangen, und es dauerte über eine Stunde, bis
sie endlich stillstand, die Milch ungehindert in den Eimer floss.
Inzwischen versorgte Madelyn die Pferde, fütterte und tränkte sie, mistete die
Boxen aus und legte frisches Heu hinein.
Die Tiere wirkten nervös und schienen sich zu freuen, als
sie die beiden Menschen sahen. Tränen brannten in Madelyns Augen. Wenigstens
standen sie geschützt im Stall. Sie konnte es kaum ertragen, an die Rinder draußen
im Freien zu denken.
Ray belud den Lieferwagen und den kleinen Anhänger mit Heu. Entschlossen
kletterte Madelyn ins Fahrerhaus, und als er die Stirn runzelte, schaute sie ihn
herausfordernd an. Nichts auf der Welt würde sie dazu bringen, wieder auszusteigen
und ihn in dieser Eiseskälte allein auf die Weide fahren zu lassen. Wenn ihm etwas
zustieß, wenn er stürzte, den Lieferwagen nicht erreichte oder die Besinnung verlor, würde er binnen kurzer Zeit erfrieren.
Vorsichtig steuerte er das Fahrzeug zu dem geschützten Gebiet, wo die Herde
überwintern sollte. Und dann trat er auf die Bremse, das Gesicht ausdruckslos.
Nichts war zu sehen, nur leere weiße Landschaft. Die Sonne glitzerte auf dem
Schnee, und Ray setzte seine Sonnenbrille auf. Schweigend folgte Madelyn diesem
Beispiel.
Er fuhr weiter, hielt Ausschau nach den Rindern, für den Fall, dass tatsächlich eines überlebt harte. Die weiße Decke könnte die Kadaver verbergen.
Endlich hörten sie ein jämmerliches Muhen und fanden ein paar Tiere, die auf der
Suche nach Nahrung oder Schutz zu einer Baumgruppe geraten waren. An den
Stämmen hatten sich hohe Schneewehen gebildet, einen Teil des Windes
abgehalten und den Rindern vermutlich das Leben gerettet.
Rays Miene war immer noch verschlossen, als er ein paar Heuballen vom Anhänger
warf und Madelyn wusste, wie ihm zumute war. Er wagte nicht zu hoffen, fürchtete,
diese Tiere wären die einzigen, die den Kälteeinbruch unbeschadet überstanden
hatten.
Er durchschnitt die Schnüre der Ballen, breitete das Heu aus und schaufelte eine
Öffnung in den Schnee. Die verängstigten Rinder krochen aus ihrem Schlupfwinkel
und stürzten sich hungrig auf das Heu. Er zählte sie, und seine Kinnmuskeln
spannten sich an. Offenbar handelte es sich nur um einen Bruchteil der Herde, die
sich in dieser Gegend aufhalten
müsste.
Als er wieder ins Fahrerhaus gestiegen war, krampften sich seine behandschuhten
Finger um das Lenkrad.
»Wenn diese Rinder überlebt haben, müssen auch noch andere dasein«, meinte
Madelyn. »Wir suchen weiter.«
Am
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