Tiffany Duo 48
Münzen.
Dann schlug sie das abgegriffene gelbe Buch auf und suchte nach dem
entsprechenden Hexagramm. Kaum hatte sie es
gefunden, klappte sie das Buch panikerfüllt wieder zu und ließ sich mit einem lauten
Aufstöhnen nach hinten fallen. Es gab so viele Möglichkeiten, und sie hatte
ausgerechnet das Hexagramm
aufgeschlagen, das eine Hochzeit verkündete ...
***
Es war ein herrlicher, sonniger Morgen, der erste seit Tagen, und Sybil beschloß, ihn
zu genießen. Leona würde heute nicht erscheinen, und mit etwas Glück war Nick so
damit beschäftigt, sich häuslich einzurichten und die versäumten Einkäufe
nachzuholen, daß sie ihn ebenfalls nicht zu sehen bekam.
Im allgemeinen war es so, daß die Vormittage der Büroarbeit gewidmet waren,
nachmittags kümmerte Sybil sich dann um den Buchladen. An diesem Tag hatte sie
vor, längst überfällige Post zu erledigen. Später wollte sie sich mit ihrem Strickzeug in den hinteren Raum zurückziehen, sich ihre neue Kassette anhören, das
Sonnenlicht genießen, Tee trinken und sich rundherum wohlfühlen. Es würde ein
phantastischer Tag werden.
Womit sie nicht gerechnet hatte, war, daß sie sich ja nicht fest auf Nicks
Abwesenheit verlassen konnte. Sie benötigte doppelt so lange wie sonst, um die
Post zu erledigen, weil sie zwischendurch immer wieder aufstand, um nachzusehen,
ob Nicks Jaguar schon vorgefahren war. Jedesmal, wenn das Telefon klingelte, fuhr
sie hoch, und wenn sich dann eine andere Stimme meldete, empfand sie etwas, das
sie zwar als Erleichterung bezeichnete, das sich aber verdächtig nach Enttäuschung
anfühlte.
Erst um Viertel nach zwölf war sie mit der Büroarbeit fertig, und da war es für sie
schon zu spät, um zum Essen zu gehen. In der Vorweihnachtszeit lief das Geschäft
rege, und es war zu erwarten, daß schon bald die ersten Kunden im Buchladen
auftauchen würden. Sie konnte es sich nicht leisten, auch nur einen einzigen davon
zu verlieren. Was sie sich aber sehr wohl leisten konnte, war, das Mittagessen
auszulassen. Sollten sich
Hungergefühle einstellen, würde sie sie mit Hilfe der Kassette in den Griff
bekommen.
Sie schob die Kassette mit der Aufschrift "Abnehmen ohne Diät" in den Recorder, setzte sich auf den Stuhl neben der altmodischen Registrierkasse und holte ihr
Strickzeug hervor. Wahrscheinlich würde das Endprodukt wieder einer ihrer wie
üblich schlecht sitzenden Pullover werden. Seufzend nahm sie die Nadeln zur Hand,
spannte den Strickfaden wie immer zu fest und lauschte der gedämpften Stimme
aus dem Kassettenrecorder. "Essen dient der Ernährung, nicht dem Vergnügen.
Essen dient der Ernährung, nicht dem Vergnügen."
Sybil mußte an ihr ausgefallenes Abendessen vom vergangenen Tag denken und an
den nicht mehr ganz frischen Joghurt zum Frühstück. Sie seufzte erneut "Essen dient dem Vergnügen, nicht der Ernährung", murmelte sie vor sich hin und ließ eine
Masche fallen. "Essen dient dem Vergnügen, nicht der... "
"Freut mich, das zu hören."
Sybil stach sich mit der Stricknadel in die Handfläche. Abgesehen davon hatte sie
sich überraschend gut unter Kontrolle, sie hielt Nicholas Fitzsimmons' Blick
einigermaßen gelassen stand. "Ich habe Sie gar nicht hereinkommen hören."
"Man sagte mir, ich hätte einen leichten Schritt", zitierte er.
Sybil ließ ihr Strickzeug sinken und vergaß ihren Ärger. Sie hatte das Zitat aus
"Dracula" erkannt. "Wie ein Vampir kommen Sie mir eigentlich nicht vor." Was nicht ganz der Wahrheit entsprach, wie sie sich im stillen eingestand. Mit seinem
schwarzen Haar, seiner beeindruckenden Größe und diesen seltsam bezwingenden
Augen hätte er durchaus aus Transsylvanien stammen können ...
Er trat ins Zimmer. Seinen Mantel hatte er bereits abgelegt, wenn er denn
überhaupt einen getragen hatte, und der dunkelblaue Seemannspullover und die
verwaschenen Jeans brachten seine Größe und Schlankheit noch besser zur Geltung.
"Wie komme ich Ihnen denn vor?" erkundigte er sich mit leiser Stimme.
Nachdenklich legte Sybil den Kopf zur Seite. Eine Spur Rock Hudson vielleicht, eine
vage Ähnlichkeit mit Al Capone, ein wenig Sting, ein wenig James Dean - eine
verwirrende, ziemlich starke Mischung, wie sie sich widerstrebend eingestand. 'Wie
Miss Piggy", antwortete sie.
Er lachte schallend auf und stellte eine Papiertüte, aus der es himmlisch duftete,
neben sie auf die Ladentheke. Vielversprechende Fettflecken zeichneten sich auf
dem braunen Papier ab,
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