Tiffany Duo 48
seufzte.
"Ja, das hättest du", stimmte Sybil zu. "Also, fahren wir?"
Es würde natürlich sehr schwer werden, neuerliche Annäherungsversuche zu
machen, wenn sie von einem Laden zum nächsten hetzten. Andererseits gewann der
dadurch die Chance, es hinterher zu versuchen. In der Zwischenzeit konnte er sie
noch etwas weiter über ihre Freundin Leona ausfragen. Sehr viel Anhaltspunkte
hatte er Ray schließlich nicht geben können, je mehr Informationen er
zusammentrug, desto erfolgreicher würden Rays Nachforschungen sein. "Fahren
wir", willigte er ein. "Mein Wagen oder deiner?"
"Meiner. Und ich fahre." Sybil warf ihm einen herausfordernden Blick zu.
Er schüttelte sich leicht und stellte die Kaffeetasse ab. "Morituri te salutant", murmelte er.
"Die Todgeweihten grüßen dich", übersetzte Sybil ohne zu zögern. "Mein Latein ist wesentlich besser als mein Französisch. Aber mach dir keine Sorgen, Nick. Ich denke
beim Fahren immer an meine Mitfahrer."
"Genau das befürchte ich ja gerade ..."
Wenn Dummheit je prämiert würde, dann bekam Sybils Einfall sicher den ersten
Preis. Da hatte sie ein ganzes herrliches Wochenende vor sich, ein Wochenende
ohne Nicks verwirrende Anwesenheit, und was tat sie? Sie lud ihn ein, mit zum
Einkaufen zu kommen! Dabei hatte sie nicht einmal nach Gesellschaft gesucht. Für
sie gab es nichts Schlimmeres als Weihnachtseinkäufe zu machen und jemand
anderen dabei im Schlepptau zu haben, der überall stehenblieb und sich die Preise
ansah.
Wenn Sybil Weihnachtseinkäufe machte, ging das immer sehr schnell, zügig und
durchorganisiert vor sich. Sie schielte nicht nach dem Nachthemd, das sie schon
immer hatte haben
wollen und das jetzt so erstaunlich weit heruntergesetzt war, sie stöberte auch nicht in Büchern herum und blieb auch nicht vor den Schaufenstern der Autohändler
stehen. Und schon gar keine Zeit hatte sie für solche Menschen, die mit einer
anderen Einstellung an ihre Weihnachtseinkäufe herangingen.
Doch Nick hatte sich als angenehme Überraschung entpuppt. Er war überall dort mit
hingegangen, wo sie hingehen wollte, war auch wieder gegangen, wenn sie zum
Gehen drängte, und hatte sie sogar auf zwei ausgezeichnete Geschenkideen für ihre
Schwager gebracht. Geduldig hatte er mit ihr im Supermarkt Schlange gestanden,
interessiert hatte er sich in der Spirituosenhandlung umgesehen, und selbst im
Hamburgerrestaurant hatte er sich von seiner tolerantesten Seite gezeigt, selbst als
dort eine Horde kichernder Pfadfinderinnen einfiel. Bei der Bestellung hatte er nicht lange gezögert und auch nicht ausführlich die Speisekarte gelesen, was eindeutig
darauf hinwies, daß ihm diese angeblich so verhaßten Lokale durchaus vertraut
waren. Da sie sich aber vorübergehend so gut miteinander verstanden, verzichtete
Sybil auf eine spöttische Bemerkung darüber. Während der Heimfahrt stellte sie
plötzlich fest, daß sie sich wider Erwarten ausgezeichnet amüsiert hatte mit ihm.
Einen Moment lang bedauerte sie, daß ihr kein plausibler Grund einfiel, das
angenehme Zusammensein noch etwas auszudehnen.
Einen Zwischenstop mußte sie noch einlegen, aber damit begab sie sich auf
gefährliches Terrain. Eigentlich sollte sie Nick lieber erst nach Hause fahren, ehe sie sich an die Erledigung dieser Pflicht machte. Aber bis zu ihrem Haus, wo sein Wagen
stand, waren es noch zweieinhalb Meilen. Hin und zurück machte das also
zusätzliche fünf Meilen, und die frühe Dezemberdämmerung brach bereits an. Das
Schneetreiben war auch dichter geworden, und so kühn Sybil auch sonst war, bei
diesem Wetter wollte sie nicht länger als nötig draußen herumfahren.
"Schneit es in Vermont eigentlich jeden Tag?" erkundigte Nick sich träge. Er hatte sich sogar jeden Kommentar über ihre Fahrkünste verkniffen, nur einmal hatte er
unterdrückt aufgestöhnt, als sie beinahe auf einen Laster aufgefahren war. Alles in
allem war er ein überaus amüsanter, unterhaltsamer Begleiter gewesen, und Sybils
Mißtrauen wuchs.
"Nur in den Monaten mit einem 'r' im Namen", erwiderte sie. Sie zögerte, dann faßte sie einen Entschluß. Sie hatte keine Lust, an diesem Abend seinetwegen durch
die halbe Weltgeschichte zu fahren. Sie würde ihm also wohl oder übel vertrauen
müssen, auch wenn sie ihrer Meinung nach eher Vertrauen zu einer Klapperschlange
gehabt hätte. "Ich muß unterwegs noch einmal anhalten", verkündete sie.
"Fein, ich habe es nicht eilig."
"Ich muß noch rasch
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