Tiffany Duo 48
die Katze von jemanden füttern."
Sie spürte ganz deutlich, wie er sie prüfend ansah, und richtete ausnahmsweise ihre
ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Straße vor sich. "Wessen Katze?"
Den ganzen Tag über hatten sie dieses Thema vermieden, aber Sybil hätte sich
denken können, daß sie nicht so glimpflich davonkommen würde. "Leonas."
"Ach, Leona ist verreist?"
"Sie mußte für ein paar Tage nach Burlington. Über Mary Philbert hat sie mich
gebeten, ihre Katze zu versorgen. Das tue ich immer, wenn sie nicht da ist."
"Fährt sie oft weg?"
Sybil ließ sich von Nicks beiläufigem Tonfall nicht täuschen. "Nur, wenn sie das Geld anlegen muß, das sie einer ihrer Freundinnen gestohlen hat", versetzte sie kühl.
"Wessen Geld hat sie denn diesmal dabei?"
"Nick, warum läßt du sie nicht in Frieden? Sie ist eine harmlose alte Dame, genau wie alle anderen auch. Warum hackst du ausgerechnet immer auf ihr herum?"
Nick zuckte die Schultern. "Vielleicht, weil ich nicht mag, welchen Einfluß sie auf dich hat."
"Sie hat doch gar keinen Einfluß auf mich!" rief Sybil frustriert aus. "Wir sind befreundet!"
"Na schön, mag ja sein. Trotzdem finde ich ihr Verhalten irgendwie verdächtig."
Wütend hielt Sybil vor der großen alten Farm an, die zum Seniorenheim für die Stadt
Danbury umgebaut war. Die sogenannten Davis Apartments waren ein
Musterbeispiel für ein Altersheim. Nur durch einen extrem glücklichen Zufall hatte
Leona dort ein Apartment erhalten, als sie nach Danbury gekommen war. Helen
Sinclair war eines Tages böse gestürzt, und als sie nach einem Monat das
Krankenhaus verlassen konnte, war sie ein Fall fürs Pflegeheim gewesen. Ihr
Apartment hatte sie an ihre neue Freundin Leona weitervermietet, die sie immer so
rührend im Krankenhaus besucht hatte.
Niemand hatte sich je erklären können, wie das Skateboard genau vor Helens Tür
kurz vor der Treppe gekommen war. Keiner der Bewohner war unter
fünfundsechzig, also in einem Alter, wo man nicht mehr Skateboard fuhr. Die einzige
Vermutung war, daß irgendein nachlässiges Enkelkind das Gerät dort hatte stehen
lassen, aber nie hatte sich jemand dazu bekannt. Jedenfalls war Leona dann in
dieses Apartment eingezogen und dort geblieben.
"Bleib im Wagen", forderte Sybil ihn entschlossen auf. "Ich bin sofort wieder da."
Aber Nick war schon vor ihr aus dem Auto ausgestiegen. "Den Teufel werde ich", erwiderte er freundlich. "Es ist dunkel und kalt draußen. Du kannst ja aufpassen, daß ich bei Leona nichts stehle."
Sybil überlegte einen Moment lang, ob sie nicht einfach wieder in den Wagen
steigen und weiterfahren sollte, um zu verhindern, daß Nick in Leonas vier Wände
eindrang. "Wenn du
auch nur etwas anrührst, kannst du was erleben!" warnte sie und machte sich auf
den Weg zu Leonas Apartment.
"Hetzt du dann etwa deine Killerhunde auf mich? Ich denke, das kann ich riskieren.
Was machst du da eigentlich?"
Sybil hantierte am Türschloß herum. "Was glaubst du wohl?" sagte sie gereizt. "Ich schließe auf, Leona hat mir für solche Fälle einen Zweitschlüssel gegeben."
"Ich war der Meinung, daß niemand hier im Haus seine Tür abschließt. Alles wirkt so idyllisch und friedlich, wer hat da Angst vor Einbrechern?"
"Leona. Sie kann nichts dafür, sie kommt aus Buffalo, und da geht es ziemlich
kriminell zu." Sybil hätte sich schon im selben Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. Auf keinen Fall wollte sie Nick irgendwelche Informationen über Leona
liefern, die er hinterher gegen sie verwenden konnte.
Ihr Versprecher schien ihm jedoch nicht aufgefallen zu sein. "Ja, dann ist das
verständlich", räumte er ein und folgte ihr in die kleine Wohnung.
Wie immer war alles makellos sauber. Sybil zog Leona immer auf, sie lebe eigentlich
eher wie ein Mönch und nicht wie eine alte Dame. Alle anderen Bewohnerinnen der
Davis Apartments hatten überall Schnickschnack und Nippes herumstehen, sie
sammelten kleine Parfümfläschchen, Eulen aus Ton, silberne Löffel und
Sammeltassen. In Leonas Wohnung hingegen standen nur ein schmales Bett mit
schlichter weißer Tagesdecke, ein Schreibtisch, zwei Stühle und ein kleiner
Schwarzweißfernsehen Sie besaß nicht einmal Bücher.
"Gemütlich, nicht wahr?" ließ sich Nick hinter Sybil vernehmen.
"Leona führt ein sehr schlichtes Leben. Sieh dich hier nur um, und du wirst
feststellen, wie wenig Wert sie auf Dinge legt, die man für Geld kaufen kann."
"Hm." Nick sah sich aufmerksam um. "Hat
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