Tiffany Duo 48
ihre Schwager, ihr Exmann. Sie bezweifelte nicht, daß
Nick keine Ausnahme bilden würde. Ein Segen, daß sie sich bei dieser Angelegenheit
nach niemandem zu richten brauchte als nach sich selbst.
Nun, es war höchste Zeit, endlich in Vorweihnachtsstimmung zu kommen. Sobald sie
zurück war, wollte sie den Weihnachtsschmuck vom Dachboden holen, damit
anfangen, ihre Geschenke einzupacken und schließlich Plätzchen und Stollen
backen. Sie würde naschen, worauf sie Appetit hatte und nicht einen Moment an
Nick Fitzsimmons denken.
Es war diesem Vorsatz allerdings nicht sehr dienlich, daß sie jedesmal an Nick
denken mußte, wenn sie auf ihr Strickzeug sah. Genausowenig hilfreich war der
Gedanke, daß sie sich gerade in der gemütlichen Vorweihnachtszeit nach jemandem
sehnte, an den sie sich an langen verschneiten Winterabenden ankuscheln konnte.
Vielleicht war das der Grund dafür, warum sie sich nicht so recht auf diese Zeit
freute.
Nein, kein Selbstmitleid, schalt Sybil sich. Für sie würde es das Beste sein, aus der Stadt zu kommen. Sie wollte es mit allen Unannehmlichkeiten aufnehmen, selbst
mit ihrer ganzen Familie, wenn sie nur ganz weit weg von Nick Fitzsimmons war. Bei
dem Tempo und der Verbissenheit, mit der er sich an seine Arbeit machte, war er
bestimmt lange vor der von ihm gesetzten Frist fertig. Vielleicht war er bei ihrer
Rückkehr sogar schon nach Cambridge zurückgekehrt.
Doch das war unmöglich. Sybil wollte ja nur eine knappe Woche fortbleiben. Nick
würde immer noch da sein, seine Nase in die alten Bücher oben im ersten Stock
vergraben, mit den Damen in den Davis Apartments Kaffee trinken, die Gegend
unsicher machen und sich mit Farmern und Rutengängern unterhalten. Nein, er
würde noch da sein, wenn sie zurückkam. Zum Glück.
Nick streckte seine langen Beine unter dem Tisch in der Bibliothek aus und sah aus
dem Fenster in die Winterlandschaft. Er schauerte fröstelnd. Die oberen Räume im
Vereinshaus der "Wasserhexen" waren nicht gerade besonders gut geheizt, und wenn Nick Sybil inzwischen nicht besser gekannt hätte, dann wäre er wohl auf den
Verdacht gekommen, sie hätte die Heizung
absichtlich heruntergeschaltet. Er sah jedoch, wie der Wind den Schnee an den halb
zugefrorenen Fensterscheiben vorbeitrieb und ihm war klar, daß dieser Verdacht
unbegründet war. Bei Wind konnte das alte, verwitterte Haus die Wärme kaum
halten.
Nick lehnte sich zurück und lauschte auf den Wind, der um das Haus heulte, auf das
Knacken der gefrorenen Äste draußen und auf Sybils Gesang im unteren Stockwerk.
Sie konnte nicht wissen, wie deutlich er sie hier oben hören konnte, jeden Seufzer,
jedes halblaut vor sich hingesprochene Wort von ihr. Sie ahnte nicht, daß er jede
Unterhaltung mit ihren verschiedenen Kunden mitanhören konnte, Unterhaltungen,
die sich meist um den interessanten Neuankömmling in Danbury drehten.
Zu seiner Überraschung reagierte Sybil immer sehr freundlich. So sehr sie sich auch
bemühte, unausstehlich zu sein, wenn sie miteinander allein waren, so
liebenswürdig gab sie sich, wenn sie beispielsweise die neugierigen Fragen der
Mullers beantwortete. Sogar auf die verstohlenen Ver-kupplungsversuche der
Schwestern ging sie mit bewundernswerter Gelassenheit ein, was ihn immer wieder
amüsierte.
Ihr gefiel die Distanz nicht, auf die er in letzter Zeit gegangen war. Schmunzelnd
legte Nick die Fingerspitzen gegeneinander und dachte darüber nach. Ihm fiel dieses
Distanzhalten fast noch schwerer als Sybil. Natürlich hatte er einen gewissen Vorteil, er wußte, daß er die Fäden in der Hand hielt und daß er dieses Spiel nur spielte, um
sie aus der Fassung zu bringen und sie so endlich für sich zu gewinnen. Was aber
nicht ausschloß, daß er trotz allem sehr frustriert war bei dem Gedanken, daß sie
sich im selben Haus befand wie er, und daß er sie haben konnte, wenn er nur einen
Schritt auf sie zu tat.
Gleichzeitig war ihm klar, daß er sie dann aber nicht für lange Zeit haben würde. Um
sie zu behalten, mußte er schon ganz anders vorgehen. Sie sollte von selbst zu ihm
kommen, sie
sollte bereit sein, ihn zu wollen. Um sie das erkennen zu lassen, gab es nur einen
Weg - er mußte sorgfältig taktieren und keinen Trick auslassen.
Der richtige Zeitpunkt war nun fast gekommen. Schon seit über einer Woche hatte
er sich von seiner charmantesten Seite gezeigt und war doch stets unnahbar und auf
Distanz geblieben. Hielten sie sich im selben
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