Tiffany Duo 48
Raum auf, war er ihr immer gerade nur
so nahegekommen, daß sie sich seiner körperlichen Präsenz bewußt werden mußte,
dann hatte er sich wieder von ihr zurückgezogen. An dem verwirrten, frustrierten
Ausdruck ihrer schönen braunen Augen konnte er sehen, daß seine Taktik allmählich
zu wirken begann.
Jetzt stand das Wochenende vor der Tür, und es wurde Zeit, den entscheidenden
Schritt in die Wege zu leiten. Dabei mußte er sehr feinfühlig vorgehen, er hatte
keine Lust, daß all die geduldige Vorarbeit und die vielen Entbehrungen zum Schluß
umsonst gewesen waren. Vielleicht konnte er gerade vor ihrem Haus mit dem
Wagen von der Straße abkommen. Das mochte zwar nicht sehr originell sein, aber
auf jeden Fall würde es glaubwürdig wirken. Oder aber er konnte die Mullers dazu
bringen, sie beide zum Tee einzuladen. Die beiden Schwestern brauchten zum
Verkuppeln nicht groß ermuntert zu werden, außerdem hatten sie einen Narren an
ihm gefressen. Vielleicht konnte er aber auch einfach mit seinen Unterlagen bei ihr
erscheinen und sie beispielsweise nach Perley Johnsons bisherigem Werdegang oder
Lester MacIntires Erfolgsquoten fragen. Danach würde er Sybil beiläufig fragen, ob
sie nicht mit ihm zu Abend essen wollte. Dabei könnte er dann seinen ganzen
Charme spielen lassen, und wenn sie ihn dann hinterher noch auf ein Getränk zu
sich einlud...
Diese Möglichkeit gefiel ihm eigentlich am besten, vor allem weil sie so unmittelbar
zum Ziel führen würde. Und er konnte das Ganze schon vorplanen, Sybil
ankündigen, daß er eventuell mal bei ihr vorbeischauen würde, so daß sie nicht zu
mißtrauisch
war, wenn er dann plötzlich vor ihrer Tür stand. Vielleicht wartete er damit ja auch
gar nicht mehr bis Samstag.
Ungläubig vernahm er, wie Sybil unten ganz eindeutig den Buchladen abschloß. Er
sah auf die Uhr, aber es war wirklich erst drei. Sybil machte nie vor fünf zu, ganz
gleich, wie schlecht das Wetter auch war. Und dieser Tag war zwar grau in grau,
aber es schneite ausnahmsweise nicht. Ob sie krank war? Vielleicht brauchte sie
jemanden, der sie nach Hause fuhr, sie ins Bett brachte, ihre Hunde fütterte und ihr
heiße Hühnerbrühe einflößte.
Nick schlug den Folianten zu, hustete leicht wegen der Staubwolke, die dadurch
aufgewirbelt wurde, und bemühte sich, nicht zu hastig die Treppe hinunterzulaufen.
Er wollte so tun, als hätte er gar nicht gehört, daß sie abgeschlossen hatte, als wolle er sich nur einen Kaffee holen.
"Da bist du ja." Sybil stand im Flur, und Nick stellte verblüfft fest, wie anders sie aussah. Sie trug nicht ihre üblichen Jeans und einen unförmigen Pullover, sondern
ein Kleid. Es war aus apricotfarbener Seide und stand ihr atemberaubend. Nicht nur
brachte es die Farbe ihres Haars und ihres Teints wunderbar zur Geltung, sondern
auch ihre Figur, die er sich bis jetzt immer nur vage hatte vorstellen können. Sie
hatte einen hübschen Busen, nicht zu groß, nicht zu klein, wohlgeformte Hüften und
eine zierliche Taille. Selbst ihr Haar trug sie an diesem Tag anders, sie hatte es in losem, kunstvollen Durcheinander hochgesteckt, ein paar lockere Strähnen
umschmeichelten ihr schmales, ernstes Gesicht. Nick konnte sich nur mit Mühe
beherrschen.
Er sah auf ihre Füße in den schicken Lederpumps und auf den Koffer, der neben ihr
stand. Sein Blick streifte den Mantel, den sie sich über den Arm gehängt hatte.
"Willst du verreisen?"
Sie seufzte, und zum ersten Mai schien sie in ihrer sonstigen Reaktion auf ihn durch
etwas anderes abgelenkt zu sein. "Ich besuche meine Eltern in New Jersey.
Weihnachten schaffe ich es dieses Jahr nicht, also feiern wir ein wenig vor."
"Warum schaffst du es Weihnachten nicht?" Was für eine dumme Frage, schalt er sich insgeheim. Bis er sah, wie Sybil leicht errötete.
"Weil ich nicht will. Außerdem fährt Dulcy meist nach Kanada zu ihrer Tante, und dann habe ich niemanden, der die Hunde versorgt. Also bekommt mich meine
Familie entweder jetzt oder gar nicht."
"Magst du deine Familie nicht?"
"Natürlich mag ich sie!" brauste sie auf.
"Nun, warum machst du dann keinen zufriedenen Eindruck, daß du zu ihnen fahren
kannst?"
Sybil atmete tief durch. "Weil meine Familie, so sehr ich sie auch liebe, unerträglich und aufdringlich ist. Genau wie du."
Nick schmunzelte. "Heißt das, du liebst mich?"
"Das heißt, daß ich am liebsten irgendwo hingehen würde, wo ich mich mit keinem
von euch herumärgern muß",
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