Tiffany Duo 48
Irgendwie, sei es aufgrund eisernen Willens, meisterhafter
Fahrkünste oder einfach eines Wunders, hielt er den Wagen auf der Straße, obwohl
er überhaupt nichts mehr sehen konnte. Jetzt schlitterten sie ein starkes Gefälle
hinunter, und Sybil hatte das Gefühl, geradewegs einen Abgrund hinabzustürzen. Sie
stemmte die Beine fest gegen den Boden und suchte instinktiv die auf der
Beifahrerseite nicht vorhandene Bremse, während sie sich mit aller Kraft am Sitz
festhielt. Auch sie begann nun zu fluchen.
"Verdammt, Nick, untersteh dich, mich umzubringen!" drohte sie.
"Das tue ich auch nicht", erwiderte er mit bemerkenswerter Ruhe, als der Wagen nach links wegrutschte. "Höchstens später, mit meinen bloßen Händen. Wir sind fast zu Hause."
"Kannst du den verdammten Wagen nicht zum Stehen bringen?"
"Das versuche ich ja." Trotz seiner Ruhe schwang in seiner Stimme ein Unterton mit, den Sybil nicht weiter herauszufordern wagte. Sie biß die Zähne aufeinander und
krallte sich weiter am Sitz fest.
Der Wagen rutschte nach rechts, hielt dann für einen wundervollen Augenblick die
Spur in völlig gerade Richtung und brach dann erneut aus. Diesmal war es
hoffnungslos, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen. Ein paar endlose Sekunden
später steckte er in bedrohlicher Schräglage in einem Graben, mit der Stoßstange an
einem soliden Ahornbaum.
Sybil und Nick saßen eine Weile stumm und völlig fassungslos da. Dann schaltete
Nick die Scheinwerfer aus, die
bei diesem Schneetreiben ohnehin nutzlos waren, und kurz darauf auch die
Zündung. "Bist du in Ordnung?"
"Aber ja, mir geht es ganz ausgezeichnet!"
"Ich fuhr nur etwa sieben Meilen in der Stunde, als der Wagen gegen den Baum
schlitterte", erklärte er aufreizend gelassen. "Mit etwas Glück dürfte der Schaden nicht allzu groß sein."
"Hast du eine Ahnung, wo wir überhaupt sind?" Sybil war weit davon entfernt, sich über den Zustand eines Wagens aufzuregen, der sie im entscheidenden Moment im
Stich gelassen hatte.
"Unmittelbar vor der Zufahrt zu meinem Haus."
"Ein Glück", atmete sie auf. "Wenigstens müssen wir nicht erfrieren."
Er warf ihr einen Seitenblick zu. Er hatte die Innenbeleuchtung des Wagens
angelassen, die schwache Birne sorgte für ein fahles Licht in der Dunkelheit. "Du hast einen Rock, Seidenstrümpfe und hochhackige Schuhe an. Die Zufahrt ist nicht
geräumt worden, und selbst, wenn wir die richtige Richtung finden, müssen wir
durch mindestens einen halben Meter hohen, nassen Neuschnee laufen. Nirgendwo
ist Licht, ich weiß nicht genau, wie weit wir noch von der Zufahrt entfernt sind,
und ... "
"Wir werden also doch im Wagen erfrieren", vollendete Sybil seinen Satz lakonisch.
"Richtig." Er versuchte, die Tür auf der Fahrerseite zu öffnen, aber sie war durch den hohen Schnee blockiert. Er versuchte es
noch einmal, fluchte und wandte sich dann zu Sybil um.
***
Sybil nahm den Türhebel und drückte mit aller Kraft gegen die Beifahrertür. Sie gab
keinen Millimeter nach. Schimpfend stieß sie erneut dagegen, langsam stieg Panik in
ihr auf.
"Vielleicht funktioniert es, wenn du den Verriegelungsknopf hochziehst", schlug Nick sanft vor.
"Ich habe ihn nicht heruntergedrückt, das tue ich nie."
"Ich habe es getan, als du schliefst. Ich wollte nicht, daß du mir mitten auf dem Highway aus dem Wagen fällst."
"Nick, du..."
"Zieh den Knopf hoch, Sybil. Streiten können wir später."
Es war reine Zeitverschwendung, sich mit ihm anzulegen. Sybil zog ihre dünnen
Handschuhe an, zog den Knopf hoch und drückte gegen die Tür. Eine Sekunde später
lag sie der Länge nach im eiskalten, nassen Schnee. Sie hob den Kopf und rieb sich
den Schnee vom Gesicht, aber sie konnte trotzdem nichts sehen. Um sie herum war
ein verwirrendes Helldunkel, der noch nachtschwarze Himmel im Kontrast zu dem
undurchdringlich weiß fallenden Schnee.
Nicks starke Hände zogen sie hoch, und Sybil vergaß all ihren Stolz, als sie sich an ihn klammerte, während er ihr den Schnee abklopfte. Er hatte recht gehabt, der Schnee
war mindestens einen halben Meter tief, und was den Nutzen ihrer Schuhe und
Strümpfe betraf, so hätte sie ebensogut barfuß laufen können.
Nun, sie war eine zähe Einheimische, er war der verweichlichte Großstädter. Oder
wenigstens hatte sie zwei Jahre Vorsprung. Sie war also dafür verantwortlich, daß
sie dieser Hölle entkamen. "Komm", forderte sie ihn auf und ging entschlossen los.
Sie kam nicht weit, Nick hielt sie
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