Tiffany Duo 48
Jeder konnte sich irren, vor allem bei solchen Angelegenheiten.
"Nein", entschied sie fest. "Ich werde nicht zulassen, daß du das tust."
Für den Bruchteil einer Sekunde wurde ihre Miene völlig ausdruckslos, dann zuckte
Leona die Schultern und lächelte. "Nun, es war nur so eine Idee. Wir werden uns
etwas Besseres einfallen lassen."
Sybils Anspannung ließ nach, auch sie lächelte nun erleichtert. "Mach dir keine
Sorgen, Leona. Wir finden schon noch eine gute Lösung. "
Leona lächelte liebenswürdig.
***
Jeden Abend, wenn Sybil an der Black Farm vorbeifuhr, suchte sie nach einem
Anzeichen, daß jemand im Haus war. Aber erst vier Tage vor Weihnachten
entdeckte sie Lichter am Ende der Zufahrt und weißen Rauch, der aus dem
Schornstein in den dunklen Nachthimmel stieg.
Eine halbe Stunde lang dachte sie sich alle möglichen Ausreden aus, um ihn
besuchen zu können. Die nächste halbe Stunde verbrachte sie damit, sich wegen
ihrer Schwäche Vorwürfe zu machen. Dann fing sie an, Pläne zu schmieden. Ob es
ihr nun gefiel oder nicht, Nick hatte eine verheerende Wirkung auf sie. Die
Hoffnung, ihr Verlangen nach ihm würde sich mit der Zeit legen, hatte sich nicht
erfüllt. Deshalb kam es auch gar nicht in Frage, ihn zu besuchen, in seinem Haus, wo
sie mit ihm ganz allein sein würde, dauernd seine faszinierenden Augen, seinen
sinnlichen Mund und seinen so verlockenden Körper vor Augen ...
Weihnachtseinkäufe. Nur noch drei Tage bis Weihnachten, und sie hatte noch so
entsetzlich viel zu tun. Der flammendrote Pullover war endlich fertig, und er war das schlechteste, was sie bisher fabriziert hatte. Oben war er viel zu weit, unten zu eng, die Ärmel waren zu lang und die Farbe gefiel ihr auch nicht mehr. Im Notfall würde
sie ihn doch Nick schenken, es könnte eine fast boshafte Genugtuung sein
mitanzusehen, wie er gezwungen war, ihn zu tragen.
Aber nicht morgen. Sie wollte einen Tag für sich haben, einen Tag, an dem sie nur
tun würde, wozu sie Lust hatte, ohne sich mit dem Problem Nick auseinandersetzen
zu müssen. Er hatte sich nun schon sechs Tage nicht sehen lassen, offensichtlich
erwartete er, daß sie ihm wie eine reife Frucht in den Schoß fiel. Nun, sie war nicht bereit, ihm für ein paar wenige Wochen das Bett zu wärmen, bis er zurück nach
England ging. Sollte er doch so einsam sein wie sie. Er konnte es ja auch einmal bei
Dulcy versuchen.
Aber der nächste Tag verlief gar nicht so, wie Sybil sich das ersehnt hatte. Leona war sofort bereit gewesen, sie im Büro zu vertreten, und als Sybil auf dem Rückweg an
der Black Farm vorbeikam, sah sie gerade noch, wie eine ihr vertraute,
hochgewachsene Gestalt in den dunkelgrünen Jaguar stieg. Ihr war, als hätte ihr
jemand einen Schlag in die Magengrube
versetzt. Sie machte eine Kehre, trat das Gaspedal durch und fuhr wieder Richtung
Stadt. Die begrenzten Angebote in St Johnsbury reizten sie nicht, sie fuhr
geradewegs weiter nach Burlington, wo es schicke Boutiquen gab,
Delikatessengeschäfte und Plattenläden. Sie kam nicht oft hierher und war fest
entschlossen, ein Vermögen auszugeben.
Sie kaufte eine Schachtel Pralinen, die sie dann auf der Heimfahrt leeraß. Sie kaufte Himbeerlikör für die Mullers und einen Bergkristall für Leona. Sie kaufte
Beißknochen für die Hunde, Seidenstrümpfe für Dulcy und nichts für sich selbst. Als
sie am Nachmittag wieder in Danbury ankam, stand die fahle Sonne bereits tiefer
am grauen Dezemberhimmel. Sybil war es schlecht von den vielen Pralinen und ihre
Laune war auf einem Tiefpunkt angelangt.
Der grüne Jaguar parkte vor den Davis Apartments. Sybil geriet in Panik, doch dann
fiel ihr ein, daß Leona ja im Büro war. Also bestand wohl kaum die Gefahr, daß die
beiden sich gerade bis aufs Messer stritten. Daß Nick noch einmal Leonas Wohnung
durchsuchte, hielt sie für ausgeschlossen. Gladys wäre ihm bestimmt an die Kehle
gegangen.
Ganz langsam fuhr sie an dem Gebäude vorbei. Der Wagen stand genau vor der
ebenerdigen Wohnungstür der Mullers. Sybil warf einen Blick auf den Himbeerlikör.
Sie hatte ohnehin vorgehabt, ihn auf dem Heimweg bei den Mullers abzuliefern,
Nicks Anwesenheit sollte sie eigentlich nicht davon abhalten. Aber war sie
überhaupt bereit, ihn zu sehen? Sie hatte fast den ganzen Tag in Burlington
vergeudet, nur um ihm aus dem Weg zu gehen. Sollte dieses deprimierende
Unternehmen umsonst gewesen sein?
Sie hatte das beinahe menschenleere Zentrum der
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