Tiffany Duo Band 0142
machen.
Als er ins Gästehaus trat, fragte er sich, wie lange das wohl gut gehen konnte. Tage? Wochen? Monate? Wie lang vermochte er den Schein aufrechterhalten?
Drei Wochen, dachte er, als er zum Schlafzimmer ging. Das sollte reichen, um sich wieder zu erholen. Und wenn er dann immer noch nicht mehr über sich wusste, würde er etwas dagegen tun.
Aber für den Augenblick brauchte er Ruhe. Ruhe und vielleicht eine weitere Tablette. Und das Bett.
Wie gewöhnlich waren am Montagmittag alle Parkplätze des
Rainbow Café
besetzt und es dauerte, bis endlich ein Auto wegfuhr und Platz für Serena machte. Ihr Treffen mit Marvin, dem Chefredakteur, hätte bereits vor fünf Minuten beginnen sollen. Sie parkte den Wagen und ging zügigen Schritts in das kleine Café.
Drinnen suchte sie Marvins weißen Schopf vergeblich in der Menge. Schließlich fragte sie die Kaugummi kauende ältere Bedienung: “Haben Sie Marvin gesehen, Justine?”
“Nein. Haben Sie es schon im
Gaylord’s
versucht?”
Serena schnitt eine Grimasse – es schien, als ob jeder über Marvins zunehmende Trunksucht Bescheid wusste. “Bitte führen Sie ihn zu meinem Tisch, wenn er kommt.”
“Kein Problem”, sagte Justine und blies ihren Kaugummi auf.
Serena grüßte ein paar Leute und setzte sich. Ihre Mutter war an der Kasse, hatte aber keine Zeit aufzuschauen. Serena verstand, warum sie praktisch jeden einstellen wollte, nachdem sie zwei Arbeitskräfte verloren hatte.
Sie erschrak richtiggehend, als plötzlich Sam vor ihr auftauchte. Er ähnelte eher einem Berufsboxer als einem Kellner. Sein markantes Gesicht war noch immer mit Schwellungen übersät. Ein Verband verbarg die Naht an seiner Schläfe und das linke Handgelenk war geschient. Er lächelte sie an. “Möchten Sie etwas trinken, Miss Schaffer?”
Sie hatte ihn nicht erwartet, vor allem, nachdem es heute Morgen im Gästehaus mucksmäuschenstill gewesen war. Und er war erst vor vierundzwanzig Stunden aus dem Krankenhaus entlassen worden. Serena hätte wetten können, dass er am ganzen Körper Schmerzen hatte.
Vielleicht meinte er es wirklich ernst mit dem Zurückzahlen. Keiner hätte ihn gescholten, wenn er sich ein paar Tage ausgeruht hätte – er sah immer noch aus, als ob er vom Empire State Building gesprungen wäre. “Was machen Sie denn hier?”
Er hob die Brauen. “Ich arbeite.”
“Ach was. So kurz nach Ihrer Entlassung? Was würde Doktor Frank sagen?”
Sam zuckte mit den Achseln. “Ich habe ihn gar nicht erst gefragt. Und Ihre Mutter scheint genauso wenig Bedenken zu haben wie ich.”
Serena lächelte. Marjorie war so verzweifelt, dass sie einen dressierten Affen eingestellt hätte. Justine und Shameka, die andere Bedienung, konnten mit den Bestellungen kaum nachkommen. “Übernehmen Sie sich nicht. Sie sind nicht nur angeschlagen, sondern hatten auch eine Kopfverletzung …”
“Danke, aber es geht mir gut. Möchten Sie etwas zu trinken oder essen? Die anderen Gäste warten schon.”
Sie bemerkte, dass seine Hände leer waren. “Schreiben Sie denn nichts auf?”
“Nein”, sagte er sarkastisch, als ob er über seine eigenen Worte lachen würde. “Wie es aussieht, habe ich ein sehr gutes Erinnerungsvermögen, wenn es um Bestellungen geht.”
“Aha. Gut … Gut.”
“Hey, Sam. Könnte ich noch etwas Kaffee kriegen?”, rief ihm ein Gast zu.
“Serena?”, forderte Sam sie auf, nachdem er dem Mann zugenickt hatte.
“Ein Glas Wasser mit Eis bitte. Ich warte mit der restlichen Bestellung, bis meine Verabredung kommt.”
Sam nickte und ging. Kurz darauf kam er mit dem Glas Wasser wieder. “Ihr Freund lässt aber auf sich warten”, bemerkte er und nickte zu dem leeren Stuhl neben ihr hin.
“Der
Angestellte
ist Mitte sechzig und kommt immer zu spät”, antwortete Serena und wunderte sich, warum sie ihm überhaupt geantwortet hatte.
Sams selbstzufriedenes Lächeln gab ihr zu verstehen, dass er genau das hatte hören wollen. “Rufen Sie mich, wenn Sie soweit sind”, sagte er und war schon wieder verschwunden.
Während sie auf Marvin wartete, beobachtete sie Sam. Serena merkte, dass er nicht viel Erfahrung als Kellner hatte. Aber dafür war er umso eifriger. Trotz seiner Verletzungen schien er nicht stillzustehen. Obwohl er neu hier war, plauderte er fröhlich mit den Gästen. Natürlich hatte jedermann von ihm gehört. Und jeder wusste, wie hilfsbereit Marjorie war. Und dass sie einen treffsicheren Instinkt hatte.
Nach zwanzig Minuten und zwei
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