Tiffany Duo Band 77
fies von mir, aber im Moment bin ich zu allem entschlossen. Die Maschine geht in zwei Stunden, und ich will, daß du drinsitzt."
Shelly wußte, daß es egoistisch von ihr war, wenn nicht sogar idiotisch angesichts der nicht von der Hand zu weisenden Gefahr, aber sie wollte sich einfach nicht von ihm trennen. Was war, wenn dies hier ihre letzte gemeinsame Zeit war?
„Der Mann läuft noch frei herum, Shelly. Und du hast doch vergangene Nacht selbst gesehen, wie verrückt er ist. Kein Mensch weiß, was er als nächstes im Schilde führt."
„Ich glaube nicht, daß er mir wirklich was tun würde."
„Nein?"
„Nein."
„Komm her." Er zog sie in den Flur hinaus vor den Garderobenspiegel und zeigte auf die Würgemale an ihrem Hals. „Schau dich an. Ich stand direkt neben dir, und dennoch hat er es geschafft, dir dies hier zuzufügen. Hast du dir mal überlegt, was er sonst noch mit dir hätte tun können?"
Sie schwieg.
„Nein? Nun, ich habe es jedenfalls."
„Er hatte doch noch nicht mal seine Waffe entsichert."
„So? Vielleicht hat er es nur vergessen, weil er nervös war. Und jemand, der nervös ist und Angst hat, ist noch viel gefährlicher."
Er massierte nun ihre Schultern, seine Fingerspitzen gruben sich tief in die verspannte Muskulatur.
„Bitte, verlaß die Stadt", begann er nun wieder in fast flehendem Ton. „Dein Flug ist bereits gebucht. Leider habe ich in zwanzig Minuten den Termin mit dem Anwalt, deshalb kann ich dich nicht zum Flughafen fahren, aber ich habe dir ein Taxi bestellt. Du brauchst nichts zusammenzupacken, am besten, du kaufst dir in Tallahassee ein paar Sachen. Meine Mutter wird dich am Flughafen abholen."
Er hatte auch wirklich an alles gedacht. Nein, sie konnte ihn nicht enttäuschen. Mit einem Seufzer ergab sie sich schließlich in ihr Schicksal und nickte. „Okay.
Er atmete auf. „Danke."
Eilig packte Shelly, nachdem er das Haus verlassen hatte, ein paar Toilettenartikel und einige Hemden von ihm zusammen und stopfte alles in eine kleine Reisetasche.
Sie bemühte sich, nicht daran zu denken, wie sehr sie ihn vermissen würde. Außer für ein paar flüchtige Zärtlichkeiten, bevor er hinaus gestürmt war, war für nichts mehr Zeit gewesen.
Wie versprochen, versperrte sie hinter ihm die Tür und setzte die Alarmanlage in Betrieb. Dann wartete sie auf das Taxi.
Brian hatte ihr schnell noch erzählt, daß er bereits früh am Morgen mit der Polizei telefoniert hatte. Gegen Grant Edwards war ein Haftbefehl wegen Mordverdachts erlassen worden. Doch bis jetzt gab es noch keine Spur von ihm.
Mittlerweile hatten die Beamten auch einiges herausgefunden. Er war in der Pferderennszene bekannt und berüchtigt und schuldete einem hiesigen Buchmacher mehr als hundertausend Dollar.
Die Polizei rechnete fest damit, daß es gelingen würde, Grant innerhalb der nächsten Tage dingfest zu machen, weil er offensichtlich das, wonach er so verzweifelt gesucht hatte, bisher noch nicht gefunden hatte. Also mußte er weiter suchen, denn es schien ihm so wichtig zu sein, daß er nicht einmal gezögert hatte, eine Waffe auf Brian und sie zu richten. Da er anscheinend zu allem entschlossen war, war davon auszugehen, daß er in Kürze einen Fehler begehen würde.
Ein Auto hupte vor dem Haus. Das war sicher das Taxi. Schnell raffte Shelly ihre Sachen zusammen und schlüpfte in ihren Mantel. Da läutete das Telefon, das auf dem Tischchen neben der Garderobe stand. War das vielleicht Brian? Sie hob ab.
„Miss Wilkerson?" hörte sie eine Frauenstimme.
„Ja." Shelly atmete erleichtert auf, weil sie ganz kurz die Angst durchzuckt hatte, der Anrufer könnte womöglich Grant sein.
„Hier ist Mrs. Thompson."
„Ah, ja." Mrs. Thompson war eine Krankenschwester, die in dem Pflegeheim arbeitete, in dem Marion war.
„Hoffentlich störe ich Sie nicht, aber ich habe von Ihrem Büro diese Nummer bekommen."
„Nein, nein, natürlich nicht. Um was geht es denn?"
„Ich bin sehr beunruhigt. Mrs. Williams geht es gar nicht gut, ihr Gesundheitszustand hat sich in den letzten Tagen rapide verschlechtert. Wir befürchten das Schlimmste. Ich dachte mir, Sie würden es vielleicht wissen wollen."
„O Gott, das ist ja schrecklich. Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mich anrufen." Shelly fühlte sich mit einem Mal beschämt darüber, daß sie in den letzten Tagen so wenig an Marion gedacht hatte. Sie hätte sie schon längst besuchen sollen, und nun wartete ihr Taxi vor dem Haus. Das Flugzeug würde
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