Tiffany Duo Band 77
hereingestohlen, um das Feuerwerk im Park zu sehen.
Bobby hatte Lonnie daran zu hindern versucht, eine gebratene Hähnchenkeule und eine Flasche Bier auf Sams Schreibtisch zurückzulassen - als „Geste der Freundschaft", wie sie es ironisch nannte.
„Ja, ja, und er wird Blumen zu unser aller Begräbnis schicken", hatte Bobby entgegnet. Sam war an die Decke gegangen, als er die „Freundschaftsgeste" vorfand, aber Rachel konnte außerdem berichten, daß er sie genußvoll verzehrt hatte.
„Schließen Sie die Tür", sagte die Gestalt am Fenster.
„Mr. Triver, lassen Sie mich bitte erklären..."
Er hob die Hand, und sie verstummte. „Nehmen Sie Platz, Miss Stockton."
Lonnie zögerte, steckte nervös eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr und setzte sich dann in einen schrecklich steifen Sessel aus Holz und Leder. Wie sollte man in solch einem Ding entspannt sitzen? Sie wollte die Beine übereinander schlagen und tat es in Anbetracht ihres knappen, kurzen Rocks dann doch nicht. Statt dessen stellte sie ihre Beine sittsam nebeneinander.
Als sie aufblickte, erstarrte sie. Hatte er etwa ihre Beine betrachtet? Nein. Unmöglich. Triver war zwar ein Mann mit allen männlichen Attributen, aber er war aus Stein.
Lonnie erinnerte sich noch gut an den anderen Sam Triver, an den jungen, dynamischen Auslandskorrespondenten, der für eine angesehene überregionale Zeitung schrieb und für seine Arbeiten mit einem Preis ausgezeichnet worden war. Das war zehn Jahre her. Sam war wegen irgendeiner Konferenz in Pittsburgh gewesen und hatte bei Lonnies Schulabschlußfeier eine Rede gehalten. „Erfolg und nicht weniger" - das war seine Devise und Botschaft. Fünfhundert Schulabgänger hatten an seinen Lippen gehangen und den Mann restlos bewundert.
Damals war er voll feuriger Überzeugungskraft, voller Kampfgeist und Leben. Lonnie respektierte und bewunderte ihn noch immer, aber irgend etwas hatte Sam Trivers inneres Feuer ausgelöscht. Irgend etwas hatte ihn in einen strengen, unflexiblen Mann verwandelt, der übervorsichtig und lächerlich konservativ war. Damals am Rednerpult hatte er sie alle mit seinem charmanten Lächeln verzaubert. Der Sam Triver von heute lächelte nie.
Dabei hatte er als Neffe und Nachfolger des Verlegers Charlie Shaw glänzende Zukunftsaussichten. Fast zwei Jahre durchlief er nun schon die verschiedenen Abteilungen der Zeitung, um alle Aspekte des Geschäfts kennenzulernen. Eines Tages würde er die „Pittsburgh News" übernehmen, und unter der Belegschaft kursierten wilde Spekulationen über das „Wann".
Lonnie sah Sam abwartend an, wobei sie ihn eingehend musterte. Sein pechschwarzes Haar war an den Schläfen leicht ergraut. Er trug es kurz und glatt nach hinten gekämmt, was ihn noch strenger erscheinen ließ.
Obwohl er auftrat und handelte wie ein Mann in den Fünfzigern, wußte Lonnie, daß er erst achtunddreißig war. Und er war ohne Frage attraktiv. Abgesehen von seinem schlanken, athletischen Körperbau - er war mindestens einsachtzig - hatte Sam Triver ein Gesicht, mit dem er nach Hollywood hätte gehen können. Eine winzige Narbe auf seiner Wange verlieh ihm das gewisse geheimnisvolle Etwas. Diese Narbe hatte Lonnie immer fasziniert, und zu ihrem Entsetzen merkte sie, daß er beobachtete, wie sie darauf starrte.
Er hob unmerklich die Augenbrauen. Dann wandte er schnell den Blick von ihren Augen und begann: „Miss Stockton, ich beabsichtige nicht, Sie wegen des Vorfalls von eben zu maßregeln. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich vielleicht Überlegungen darüber anstellen, was Sie bewogen hat, eine Schußwaffe mit ins Büro zu bringen. Ich habe nicht die Zeit für solche geistigen Puzzlespiele und will auch von Ihnen keine Erklärungen. Sorgen Sie dafür, daß das Ding bei Büroschluß aus dem Haus verschwindet. So, und nun..."
Lonnie setzte zu einer Antwort an, aber Sam hob die Hand, um den zu erwartenden Redefluß zu stoppen. „Und nun zum nächsten Punkt. Sie sind heute morgen eine Stunde zu spät gekommen."
Lonnies Kiefer klappte herunter. Es stimmte, sie hatte vor der Arbeit Matts Paket von der Post abgeholt, was sie mehr Zeit gekostet hatte als eingeplant. Aber Sam hatte doch den ganzen Morgen in der Konferenz gesessen, und ihre Kollegen petzten nicht.
„Woher wissen Sie das?" fragte sie.
Er verzog keine Miene. „Es war nur eine Vermutung, aber Sie haben sie soeben bestätigt."
Lonnie ärgerte sich, daß sie ihm in die Falle gegangen war. Du arroganter Schnösel,
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