Tiffany Duo Band 77
Pittsburgh geschickt.
Da sie in der Kneipe ihrer Eltern praktisch groß geworden war, hatte Lonnie beizeiten gelernt, die Jagdgewehre und Pistolen der buntgemischten Kundschaft zu handhaben. Sie ließ das Magazin der Waffe aufschnappen, vergewisserte sich schnell, daß es leer war, und wandte sich wieder an ihr Publikum. „Nur Dekoration", erklärte sie, „ist ewig lange nicht benutzt worden. Ihr glaubt doch nicht etwa, das Ding ist geladen? Da, seht selbst..." Sie zielte gegen die Decke, entsicherte und drückte ab.
Augenblicklich warfen sich ihre Kollegen vor Schreck hin, um nichts als ein rostiges, hohles Klicken zu vernehmen. Lonnie amüsierte sich köstlich, aber im nächsten Moment erstarrte sie. Über den am Boden liegenden Körpern ragte eine einzige Gestalt auf. Lonnies Blick wanderte von den blankgeputzten, schwarzen Schuhen zu der Hose mit den messerscharfen Bügelfalten und höher zu der tadellos gebundenen Krawatte.
Zwei stahlharte Augen fixierten sie. Sam Triver. Natürlich, wer sonst?
„Miss Stockton."
„Oh, ver..."
„In mein Büro!" Er drehte sich um und schritt entschlossen den Korridor hinunter.
Der Büroclown Bobby Mulligan berappelte sich als erster. Er stand vom Boden auf und strich sich die roten Ponyfransen aus dem Gesicht. „Er hat nicht mal mit der Wimper gezuckt", bemerkte er grinsend. „Nächstes Mal solltest du eine Rakete vorführen."
„Danke für den Tip", sagte Lonnie über das erstickte Gekicher hinweg. Während die Gruppe sich zerstreute, legte sie die Pistole in den Karton zurück und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen. Ich werde mit ihm fertig werden, redete sie sich ein, als sie sich auf den Weg zu Sam Trivers Büro machte. Sie wurde mit jedem Mann fertig - ganz gleich, welche Probleme es gab.
Während sie dies dachte, berührte sie fast unbewußt den Verlobungsring an ihrem Finger, so wie Aladin seine Wunderlampe berührte, bevor er einen Wunsch aussprach. Lonnie wünschte sich, sie könnte sich mehr an dem kostbaren Diamanten freuen, dem Symbol eines Liebesbunds. Aber sie wußte, kein Wünschen und kein Zauber konnte ihre Zweifel beseitigen. Es erschien Lonnie immer fraglicher, ob sie J.D. Morton je heiraten würde.
„Sei ehrlich, Stockton", sagte sie zu sich selbst, „wenn du einen Wunsch frei hättest, dann wüßtest du, welchen."
Lonnie knauserte, sparte und arbeitete wie wahnsinnig, um zusammen mit ihrem Vater die nagelneue „Stockton's Country Music Tavern" zu eröffnen.
Das Paket ihres Bruders war eine Riesenüberraschung gewesen, an der Lonnies Kollegen teilhaben sollten. Alle diese tollen Antiquitäten würden eines Tages die Wände des neuen Lokals zieren, das genauso sein würde wie das alte „Stockton's", das ihre Eltern in Dallas verloren hatten.
Aber wie sollte sie das Geld zusammenbekommen, wenn sie ihren Job verlor? Daß Sam Triver sie feuern würde, wurde mit jedem Schritt, den sie sich seinem Büro näherte, wahrscheinlicher.
Lonnie seufzte schwer und band ihren Pferdeschwanz neu, um ihr volles lockiges Haar zu der Frisur zu bändigen, die laut Sam Triver ihrem Bürojob „angemessener" war. Aber Lonnie wußte, auch ein ordentlicher Pferdeschwanz würde schwerlich ihren Job retten.
Als sie vor Mr. Trivers Bürotür stand, erschien ihr Leben ihr so stabil wie einem Betrunkenen der schlüpfrige Fußboden in einer Bar.
Sie bekämpfte ihre Nervosität und atmete tief. „Keine Angst, Stern von Texas", hörte sie die Stimme ihres Vaters, „du wirst damit fertig." Sie glättete ihren Rock und klopfte.
„Herein!"
Lonnie seufzte. Typisch, dieser knappe Befehlston. Der Mann verschwendete nie ein Wort. Sie betrat Sam Trivers Büro, und ihre Füße sanken in den dicken grauen Teppichboden ein. Ihr erster Blick fiel auf den schweren Eichenschreibtisch, aber der Ledersessel dahinter war leer. Dann erblickte sie die große, schlanke, makellos gekleidete Gestalt vor dem riesigen Panoramafenster.
Lonnies Chef hatte von seinem Büro einen großartigen Blick auf den Point State Park, einer keilförmigen Grünanlage zwischen den Ufern des Monongahela und des Allegheny, den beiden Flüssen, die bei Pittsburgh zum Ohio zusammenflossen.
Der Park stand in voller Blüte, ein farbenprächtiger Kontrast zu dem grauen, regnerischen Apriltag. Die breiten Flüsse boten wie immer ein majestätisches Bild. Lonnie kannte diesen Blick, denn vor vier Monaten, in der Silvesternacht, hatte sie sich mit Bobby, Rachel und einigen anderen Kollegen hier
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