Tiffany Valentinsband Band 1
Sohn. Sie war anhand von Barbers Bemerkungen und Andrews seltenen Besuchen nur davon ausgegangen, dass Vater und Sohn sich nicht besonders nahe standen. Nun, sie konnte seine Trauer durchaus nachfühlen. Sie hatte in den letzten fünf Jahren beide Elternteile verloren. Zu beiden Anlässen hatte Andrew Blumen schicken lassen. Sie wusste, dass es nur eine Aufmerksamkeit war; er konnte auch gar nicht wissen, wie viel ihr diese Geste bedeutet hatte, wie oft sie die Danksagung umformuliert hatte, um den richtigen Ton zu treffen. Genau wie damals bei der Valentinskarte, die sie ihm gegeben hatte, als sie zwölf war. Es ärgerte sie, wie wichtig ihr immer noch war, was er von ihr dachte.
Sie deutete auf das im Graben hängende Auto. „Ich kann Red anrufen, damit er mit dem Traktor kommt und es rauszieht.“
Nachdenklich verzog er den Mund. „Kein Grund, Red zu belästigen. Wie man einen Traktor fährt, weiß ich sicher noch.“ Dann nickte er zu dem grauen Pferd hin. „Aber mit ihm könnte ich Hilfe gebrauchen.“
„Ich komme mit dir und wir bringen ihn zurück in den Stall.“ Sie warf einen Blick auf ihre Füße, deren Nägel in fröhlichem Blau lackiert waren. „Hm … ich hole nur schnell meine Stiefel.“ Sie fühlte sich wie ein Bauerntölpel, als sie zurück zum Haus eilte. Ganz sicher liefen die Frauen in New York nicht barfuß herum. Während sie die Treppe zum Balkon hinaufhastete, konnte sie Andrews Blick förmlich auf sich spüren. Vermutlich wunderte er sich, weshalb sie immer noch hier wohnte. Genaugenommen war der weiteste Umzug, den sie je getätigt hatte, der von ihrem ehemaligen Kinderzimmer hinunter in das Schlafzimmer ihrer Eltern gewesen.
Na, wenn schon , dachte sie, und ging kopfschüttelnd über die abgenutzten Bohlen des Balkons hin zu der großen Terrassentür, die direkt in ihr Schlafzimmer führte. Es hatten sich immer wieder Gelegenheiten geboten, anderswo zu leben. Sie besaß einen Marketing-Abschluss der University of Tennessee, aber sie hatte sämtliche Jobangebote abgelehnt, um im Tiny Caves Nationalpark ein paar Meilen die Straße hinunter zu arbeiten. Eine Entscheidung, die sie immer noch nicht bereute – im Park zu arbeiten und in ihrer Freizeit Barber MacMillan zu helfen hatte sie vollends ausgefüllt. Ihr gefiel dieser Ort, an dem die Rushhour sonntagmorgens vor der Kirche stattfand und das einzige Geräusch, das dem von Sirenen am nächsten kam, der Ruf der Schleiereule war.
Als sie ihr Schlafzimmer betrat, fragte Summer sich, was sie in sechzig Sekunden wohl aus ihren Haaren zaubern konnte. Seufzend blieb sie vor ihrem Schminktisch stehen und betrachtete das zerzauste Chaos auf ihrem Kopf. Manchmal war diese Lockenmähne lästiger, als sie schön war, aber sie abzuschneiden wagte sie auch nicht.
Mit einem breitzinkigen Kamm fuhr sie sich flüchtig durchs Haar, um die gröbsten Kletten zu lösen, dann band sie es am Hinterkopf zusammen und drehte das herabhängende Ende zu einer lockeren Schlaufe, die sie im Nacken feststeckte. Sie holte ihre alten, abgetragenen Cowboystiefel aus dem Schrank und schlüpfte hinein. Als sie plötzlich etwas um ihr Bein schleichen spürte, musste sie lächeln. Ihre cremefarbene Perserkatze schnüffelte an ihr, nieste und beschwerte sich lautstark.
„Ja, Gabby“, besänftigte Summer sie, „Truman müffelt, aber er hat niemanden mehr, also wirst du dich wohl daran gewöhnen müssen, ihn um dich zu haben – oder zumindest seinen Geruch.“ Sie kraulte ihr geliebtes Haustier unter dem Kinn, wandte sich zum Spiegel um und beklagte stumm ihr saloppes Kleid. Verwaschen und abgetragen. Aber sie würde nicht noch Zeit zum Umziehen verschwenden und Andrew MacMillan so den Eindruck vermitteln, er würde ihr wichtig sein.
Als sie die Terrassentür von innen abschloss, sah sie ihn unten auf der Straße stehen.
Für einen Mann, der hier aufgewachsen war, wirkte er ausgesprochen fehl am Platz. Was nicht nur an seinem geschniegelten Äußeren und dem Sportwagen lag. Es war mehr die steife Art, wie er dastand mit dieser abweisenden Körperhaltung … als hätte er nicht die Absicht, sich je wieder in eine Kleinstadt zu begeben. Diese Einstellung beunruhigte sie, denn es verhieß nichts Gutes für die Zukunft der Mane Squeeze Ranch.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Außerdem ruinierte es ihr eigenes kleines Märchen, in dem Andrew MacMillan nach Tiny zurückkehrte und sie im Sturm eroberte. Ehrlich, ein Blick auf diesen Mann genügte, um ihr
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