Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
Peter zu erbetteln, auch wenn er jedes Mal sagte: »Du bist zu nachgiebig mit ihr, Margaux. So wird sie es nie lernen.«
Wenn ich in Karens Zimmer ging, tat ich alles, um sie zum Lachen zu bringen, egal ob ich mit den kopflosen Barbiepuppen Theater spielte (Karen enthauptete sie bei ihren Wutanfällen) oder Karen am Bauch und unter den Armen kitzelte. Nicht lange, und wir beschäftigten uns zusammen, manchmal spielten wir Königin , und ich übernahm mit Rücksicht auf Karen die Rolle der Prinzessin. Als Königin trug Karen eine Pappkrone von Burger King , fuchtelte mit lila-weißen Troddeln herum und befahl mir, ihr dieses oder jenes zu bringen. Irgendwann kam Peter ins Zimmer und sagte: »So, Karen, du warst jetzt lange genug hier drin!« Dann griffen wir nach seinen Händen und stürmten nach draußen. Karen reichte ihm oft die Burger-King -Krone und wollte, dass er König war und uns Befehle erteilte.
***
Inès’ grellorangefarbener Motorradhelm war mir nur ein klein wenig zu groß. Als Peter mir das erste Mal erlaubte, ihn aufzusetzen, wurde Karen eifersüchtig und bekam einen Wutanfall. Aber Peter war konsequent und sagte, sie sei viel zu klein, um auf einem Motorrad zu fahren, außerdem gebe es keinen Helm auf der Welt, der auf ihren kleinen Kopf passe. Als er das sagte, durchlief mich ein gehässiges Triumphgefühl. Sollte Karen doch mit Mommy im Garten hocken, während ich Motorrad fuhr. Sollte Karen zur Abwechslung mal traurig sein; ich war jedes Mal traurig, wenn ich Peters Haus verlassen musste und sie bleiben durfte. Ich war immer traurig, wenn sie sich im Garten richtig schmutzig machen durfte, während ich meine Kleidung für Poppa immer halbwegs sauber halten musste. Ich war traurig, weil sie Peters und Inès’ Tochter und Miguels und Rickys Schwester war; ich war nur das Mädchen, das zweimal die Woche zu Besuch kam, auch wenn Peter sagte, er liebte mich mehr als sie, aber das dürfe ich ihr niemals verraten.
Ich machte immer großes Aufheben darum, wie toll ich den Helm fände, er gleiche fast einer Krone mit seinem glänzenden Orange, in dem sich weiße Lichtpunkte fingen, mit den Pegasus- und Regenbogenaufklebern. In Wirklichkeit hasste ich den Helm und wäre lieber ohne ihn gefahren, um den Wind in meinem Haar zu spüren. Zuerst hatte meine Mutter eine Riesenangst, dass ich vom Motorrad fallen würde. Peter führte ihr den Helm vor und sagte, wenn das tatsächlich passieren sollte, wäre mein Kopf geschützt; außerdem würde das nie geschehen, weil er schon seit über dreißig Jahren Motorrad fahre. Ich bettelte immer wieder: »Nur um den Block«, bis sie schließlich nachgab. Als ich zum ersten Mal auf die Suzuki stieg, stand Mommy am Straßenrand und wiederholte ihre Mahnungen: »Lehn dich nicht zu weit zur Seite!« und »Halt dich immer gut an Peter fest!«
Peter zeigte mir, dass ich mich zur Seite lehnen musste, wann immer er es tat. Dabei musste ich ihn fest umklammern, mich immer in dieselbe Richtung neigen, aber nur so weit wie er, nie weiter. Für die Fahrt um den Block musste ich natürlich nicht viel über das Hinauslehnen wissen, doch später würde es nötig werden, wenn wir mit dem Motorrad schwierigere Kurven nehmen würden. Das gab mir eine gewisse Verantwortung, und ich war unheimlich stolz, wenn Peter mir sagte, ich sei der perfekte Beifahrer.
***
Mein Haar war lang geworden, und Anfang August reichte es mir sieben Zentimeter über die Schultern. Das bedeutete, dass Poppa seit einiger Zeit nicht besonders darauf geachtet hatte; seit Jahren bestand er darauf, dass es höchstens schulterlang sein durfte. Sobald ihm auffiel, dass es länger wurde, schleppte er mich umgehend zum Friseur und ließ mir einen kessen Bob schneiden, der seiner Meinung nach modern bei kleinen Mädchen war, obwohl das nicht stimmte: Den meisten meiner Klassenkameradinnen reichte das Haar bis auf den Rücken. Es war ein Zeichen für die gesellschaftliche Stellung eines Mädchens, wenn es das Haar an jedem Schultag anders frisierte. Die Mädchen, die französische oder holländische Zöpfe oder einfache Pferdeschwänze trugen, machten sich oft über mein einfallsloses, widerspenstiges Haar lustig. Eines Tages beschwerte ich mich bei Peter über dieses Problem – dass ich Angst vor dem nächsten Schuljahr hätte, wenn mein hässliches Haar wieder zur Zielscheibe des Spotts würde –, und er versprach mir, einen Kamm zu finden, mit dem man die Knoten völlig schmerzfrei herauskämmen könnte.
Als
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