Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger
und du tust nichts. Ich bin euer Sklave.«
»Ich kann es nicht mehr hören«, murmelte Mommy.
»Was sagtest du gerade?«
»Nichts. Auf jeden Fall hat Inès nicht das Haar gekämmt, sondern Peter. Er hat es gut gemacht, es sind keine Knoten mehr drin.«
»Du hast zugelassen, dass dieser Mann deiner Tochter das Haar kämmt?« Dann lauter: »Du hast zugelassen, dass dieser Mann deiner Tochter das Haar kämmt?«
»Ja, was ist denn so schlimm daran?«
Poppa verstummte und sagte schließlich: »Ich muss diesen Mann kennenlernen, diesen Mann, der so viel Ärger macht!«
»Er macht keinen Ärger. Margaux verbringt die meiste Zeit mit den zwei Jungen und dem kleinen Mädchen.«
»Was für ein kleines Mädchen?«
»Karen, sie haben ein kleines Mädchen.«
»Bis jetzt war da kein Mädchen.«
»Es ist ein Pflegekind. Ich für meinen Teil finde es toll, wenn Menschen Kinder aus schlechten Familien aufnehmen.«
»Das Mädchen ist aus einer schlechten Familie? Was für eine schlechte Familie?«
»Die Mutter war drogenabhängig. Das arme Ding.«
»Meine Tochter hat Umgang mit Menschen aus schlechten Familien?«
»Peters Familie ist nicht schlecht. Das ist eine sehr gute Familie.«
»Die Leute sind nicht mal verheiratet.«
»Ja, und? Trotzdem sind sie eine nette Familie.«
»Sag mal, was für Werte möchtest du deiner Tochter eigentlich vermitteln?« Poppa verschränkte die Arme vor der Brust.
»Darüber möchte ich lieber nicht sprechen.«
»Aha.« Poppa schwieg eine Weile. »Lässt du sie dort duschen? Wenn sie sich draußen schmutzig gemacht hat, lässt du sie doch dort nicht in die Badewanne, oder?«
»Nein.«
»Sie könnte sich eine Krankheit holen.«
»Sie geht dort nicht in die Dusche.«
»Ich möchte diesen Mann kennenlernen, hörst du? Ich möchte diesen Mann kennenlernen, und die Frau auch. Sie sollen mit uns ins Benihana gehen.«
»Ins Benihana ? So viel Geld haben sie nicht. Du musst ein billigeres Restaurant aussuchen, das sie sich leisten können. Es ist nicht leicht für sie, was meinst du, was drei Kinder kosten? Sie haben es nicht leicht. Ganz und gar nicht.«
»Na, du kannst diesen Leuten ja sagen, dass ich sie einlade. Ich zahle für sie beide. Ich kann es mir leisten.«
***
Am nächsten Tag, einem Donnerstag, sagte Poppa nach der Arbeit, er wolle mit mir spazieren gehen. Ich fragte ihn, wo wir hingingen, und er sagte, wir würden Eis essen. Nach ungefähr zwei Häuserblocks spürte ich, dass Poppa log; das Carvel war auf der Ecke von Bergenline Avenue und der 38th Street, wir hingegen waren an der Ecke 39th Street und Hudson Avenue. Normalerweise wäre Poppa längst abgebogen, da er lieber die Bergenline als die langweiligen Nebenstraßen nahm. Und auf gar keinen Fall würde er an der Highschool Union Hill vorbeigehen wollen, da sich dort seiner Meinung nach die ganzen Wilden trafen.
»Wo gehen wir hin, Poppa?«
Er zögerte. »Zum Friseur.«
Ich blieb auf der Stelle stehen, mitten auf dem Bürgersteig. Poppa zog an meinem Arm.
»Komm!«
»Ich habe keine Knoten mehr im Haar!«
»Komm weiter! Das wird schön. Hinterher kauf ich dir ein Eis. Ich kauf dir was zum Spielen. Komm mit!«
»Nein, ich komme nicht mit!«
Er packte mich am Arm und zog mich weiter. »Los!«
»Bitte nicht abschneiden!«
»Du willst mir Ärger machen. Du willst mich demütigen«, sagte er mit leiser Stimme. »Du willst mich zum Gespött der Stadt machen. Merkst du nicht, wie die Leute gucken?«
Inzwischen hatte ich einen waschechten Wutanfall, ich tobte und bettelte und stampfte mit den Füßen.
Poppa wies auf zwei Jugendliche, die an der Highschool vorbeigingen. »Guck mal, wie die dich anstarren.«
Wir standen vor der Schule, und ich sah den Friseurladen Good Fellows gegenüber der Hudson Street auf der 38th Street. Ich überlegte, ob ich Poppa in die Hand beißen und zu Peter laufen sollte, doch ich wusste, dass Poppa schneller war als ich.
»Warum tust du mir das an?«, schrie ich. »Warum? Warum tust du das?«
Er ließ meine Hand los, und wir standen uns gegenüber. »Du … Du … Ich schäme mich, auf dieser Straße gesehen zu werden. Lass die Leute reden, sie reden über dich. Lass sie lachen, sie lachen über dich. Nicht über mich. Du bist diejenige, die sich hier vor allen Leuten auf der Straße blamiert. Jetzt sehe ich wenigstens, was dieses Haus aus dir macht. Du gehst jetzt seit einem Jahr in dieses Haus, und es hat keine gute Wirkung auf dein Temperament. Du wirst aufsässig. Sag mir mal
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