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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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immerhin.
    Tarik und Jasna tanzen, und dabei weinen sie, alle beide, stöhnen schon fast, glücklich klingt das nicht, eher so, als würden sie für immer Abschied nehmen. Wer weiß, denke ich, vielleicht geht Jasna weg, und sie werden sich nie wiedersehen, und obwohl ich eben noch so erleichtert war, werde ich plötzlich furchtbar traurig, weil mir lauter Sachen durch den Kopf gehen, Sachen von früher.
    Tarik schüttelt es immer noch am ganzen Körper, er will Jasna gar nicht mehr loslassen, immer wieder zuckt es durch ihn hindurch, ehrlich gesagt sieht das ziemlich seltsam aus, und Jasna stöhnt immer lauter, ich denke, komische Laute, was das nur soll, denke ich, aber komische Laute haben sie auch damals gemacht, als ihr Vater gestorben ist, die ganze Familie und ihre Verwandten und lauter Männer mit Perlenketten in den Händen, wie die Wölfe haben sie einen ganzen Tag und eine ganze Nacht auf der Straße geheult, sodass es jeder hören konnte. Die Stanitzek wollte schon die Polizei rufen, aber Jameelah hat ihr gesagt, so macht man das bei denen, wenn jemand stirbt, und dass alles gut ist und bald vorbei, aber dann dreht Jasna sich plötzlich zur Seite. Sie hält sich die Hand vor den Bauch, ich kann noch sehen, wie ihr etwas aus dem Mund läuft, dann fällt sie. Sie kippt einfach um, nicht wie ein Mensch mit Armen und Beinen, sondern wie eine Statue, die leblos von ihrem Sockel runterfällt, genau so knallt Jasna auf den Boden, knallt auf den Boden und bleibt regungslos liegen.
    Tarik schaut sich panisch um. Ich will gerade aufspringen und sagen, wir sind hier, erklären wir dir später, warum wir nackt sind, erst mal kommen wir und helfen, aber als hätte sie es geahnt, drückt Jameelah ihre eiskalten Hände auf meine Schultern, zwingt mich zurück auf den Boden und hält mir die Hand vor den Mund. Ich will mich losreißen und schreien, aber Jameelah drückt nur noch fester zu.
    Die rechte Hand, flüstert Jameelah, schau auf seine rechte Hand, und danach höre ich nur noch ihren ängstlichen Atem an meinem Ohr. Tarik bückt sich. Eine Weile bleibt er noch so vor Jasna hocken, das Messer in der rechten Hand, dann steht er auf und entfernt sich, zuerst ganz langsam, dann aber immer zügiger, bis er sich schließlich umdreht und, so schnell er kann, weghumpelt. Mein Kopf, mein Herz, alles pulsiert wie irre, mein Mund ist so trocken, als hätte ich hundert Köpfchen geraucht. Jameelah hält mich immer noch fest.
    Lass mich los, flüstere ich.
    Langsam lockert Jameelah ihren Griff. Ich strecke meine eingeschlafenen Beine vor mir aus und drücke sie gegen die gegenüberliegende Holzwand. Früher haben die Menschen bei Schmerzen auf ein Stück Holz gebissen, hat der Wittner mal erzählt, genauso versuche ich meinen Körper zwischen den Wänden des Holzhäuschens zu verkeilen, aber dann merke ich, ich bin zu groß geworden, ich kann hier nicht mehr sitzen und meine Beine ausstrecken, hier oben im Holzhäuschen von der Rutsche, so wie ich es mein ganzes Leben lang gemacht habe, ich bin jetzt zu groß dafür.
    Fuck Fuck Fuck.
    Fuck Fuck Fuck.
    Keine Ahnung, wie lange wir da oben sitzen. So was wie Zeit, so was wie oben und unten existiert gar nicht, es ist wie im All, das Holzhäuschen schwebt mit uns durchs Nirgendwo, keine Nachtigall, überhaupt kein Geräusch, nur Jameelahs Stimme, die in regelmäßigen Abständen Fuck Fuck Fuck flüstert, als würde sie Schnik Schnak Schnok mit sich selber spielen, nur ihr schwerer Atem und ihre Brust, die sich hebt und senkt, nur unsere nackten Körper, nur unsere Haut, und darunter die Angst, die das Blut durch unsere Venen jagt.
    Fuck Fuck Fuck.
    Fuck Fuck Fuck.
    Jameelah springt auf.
    Fuck, sagt sie, sind wir eigentlich bescheuert? Los, weg hier.
    Sie wirft mir mein Spaghettitop rüber, meine Finger sind eiskalt, merke ich, als ich mir das Top überziehe. Vorsichtig klettern wir die Rutsche runter, Rosenblätter, überall liegen Rosenblätter. Hand in Hand tappen wir übers Gras.
    Da liegt Jasna. Das Licht der Laterne scheint ihr aufs Gesicht. Links an der Hüfte ist alles rot, komplett eingesaut mit Blut. Ihr läuft was aus dem Mund, erst, als wir ganz nah dranstehen, sehe ich, das ist Kotze.
    Vorsicht, flüstert Jameelah, nicht dass du reinrittst.
    Sie ist tot, flüstere ich, richtig tot.
    Jameelah nickt.
    Sie ist tot, das sieht man an den Augen, die blicken nirgends mehr hin, sind weg, nicht mehr auf der Welt, wie in diesem einen YouTube-Video, wo ein Haufen Männer eine

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