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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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denke ich, Tarik hat uns gesehen, aber er schaut sich nur um, hebt einen Arm und zeigt auf die Rosenblätter. Jasna zuckt mit den Schultern und zieht an ihrer Zigarette, sie schaut Tarik gar nicht an, schaut mal auf den Boden, mal an ihm vorbei, geht sich mit der Hand durch die offenen Haare, lauter solche Sachen.
    Wieso vertragen sie sich nicht einfach wieder, flüstere ich.
    Jameelah zuckt mit den Schultern.
    Wieso vertragen sie sich nicht einfach wieder, denke ich, schon allein wegen Amir und Selma, aber auch sonst, überhaupt, am Ende muss man sich doch eh wieder vertragen, das machen Jameelah und ich immer, egal wie schlimm wir uns gestritten haben. Sogar mit Jessi vertrage ich mich am Ende immer, am Ende muss man sich immer vertragen.
    Kannst du verstehen, was sie sagen, flüstert Jameelah.
    Nur einzelne Wörter.
    Scheiße, sagt sie, aber ich sage psst, Tarik sagt irgendwas.
    Was denn, flüstert Jameelah.
    Psst, sage ich wieder, weil so kann man ja erst recht nichts verstehen.
    Einmal sagt er was mit Familie und mit Füßen, einmal was mit reden und helfen. Jasna wirft den Kopf in den Nacken und lacht, so als hätte Tarik einen guten Witz gemacht. Sie zieht an ihrer Zigarette und fährt mit der Hand über den Stamm von Amirs Linde, steht da rum und bläst Rauch aus, als ob Tarik Luft wäre. Tarik redet auf sie ein. Ich kann kein Wort verstehen, bis Jasna ihn auf einmal unterbricht. Ihre Stimme wird laut, Tarik zuckt zurück, sie sagt was mit früher und konnte mich nicht wehren, aber jetzt, sagt Jasna, dann unterbricht Tarik sie, aber Jasna schnippt nur ihre Kippe weg und bläst Tarik den Rauch ins Gesicht. Putzfrau höre ich sie sagen, dann reden sie nur noch Bosnisch, klingt nach Streit, Bosnisch, Bosnisch, Bosnisch. Es kommt mir wie eine halbe Ewigkeit vor, bis Jasna schließlich sagt, ich kann doch nichts dafür, nur dann verstehe ich wieder nicht, was Tarik antwortet, ich sehe nur, wie er wütend mit seinem kaputten Fuß gegen Amirs Linde tritt.
    Das muss doch wehtun, denke ich, aber dann fällt mir ein, Tariks Bein ist bestimmt aus Metall oder so ähnlich.
    Du solltest dich schämen, höre ich ihn plötzlich laut und deutlich sagen, wie neulich im Freibad, nur diesmal ist es Jameelah, die zusammenzuckt, aber Jasna reagiert gar nicht, sie zündet sich noch eine Zigarette an und redet so leise weiter, dass wir wieder nur einzelne Wörter verstehen.
    Einmal sagt sie ganz deutlich Ungerechtigkeit, und da wird es auf einmal ganz still. Ich sehe Tarik atmen, wie sein Oberkörper sich aufrichtet und wieder zusammenfällt. Seltsame Ruhe, die da plötzlich entsteht, gar keine wirkliche Ruhe, so wie Tarik stillhält, die Arme steif, als hätte er Rasierklingen unter den Achseln. Wir hocken vor den Holzplanken des Häuschens und glotzen durch den Spalt dazwischen. Meine Knie, die sich immer tiefer in den rauen Holzboden bohren, schmerzen, ich weiß das, aber ich spüre es kaum, erst recht nicht, als Tarik anfängt, was wirklich Seltsames zu machen. Er dreht sich um und fängt an, in langsamen großen Schritten einmal um den Sandkasten herumzulaufen.
    Der hat doch einen an der Falafel, flüstert Jameelah.
    Jasna lehnt an Amirs Linde, zieht an ihrer Zigarette und hält still, wartet einfach nur ab, nur die Hand, die zum Mund wandert und wieder zurück, nur die Augen, die sie auf Tarik gerichtet hat wie auf ein wildes Tier, eins, von dem man nicht weiß, hat es jetzt Tollwut oder nicht, aber als Tarik wieder vor ihr steht, wirft er die Hände vors Gesicht, und sein ganzer Körper beginnt zu zittern.
    Heult der etwa, flüstert Jameelah.
    Jasna lässt die Zigarette auf den Boden fallen und tritt sie sorgfältig aus. Sie will Tarik umarmen, aber er lässt sie nicht, keine Chance zu verstehen, was er zu ihr sagt, halb gesagt, halb gejammert fallen die Worte aus ihm heraus, nur einmal, da verstehe ich Schicksal und Abschied, und da nickt Jasna. Es wird so still, dass man ihre lange Fingernägel auf Amirs Linde trommeln hören kann, dann geht Tarik auf Jasna zu und drückt sie fest an sich.
    Siehst du, flüstere ich, am Ende muss man sich eben doch wieder vertragen, aber Jameelah reagiert gar nicht, schaut wie gebannt runter zu Jasna und Tarik. Jasna hat ihre Hände auf Tariks Rücken gelegt und Tarik seine auf Jasnas. Langsam wiegen sie sich zu irgendeinem Rhythmus, den nur sie hören können, hin und her.
    Tanzen die etwa?
    Glaube schon.
    Jameelah kichert leise.
    Siehste, er kann doch tanzen. Zwar kein Lambada, aber

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