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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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zwölf leise die Wohnung verlassen, tragen wir nur überlange Spaghettitops und Flipflops, noch nicht mal Unterwäsche, und das ist nicht nur wegen dem Liebeszauber, sondern auch, weil es den ganzen Tag so heiß war und kaum abgekühlt ist. Wir kramen die Nettotüte mit den Rosenblättern, die wir am Nachmittag im Tiergarten geklaut haben, aus dem Gebüsch vor dem Spielplatz, den Müllermilchbecher, Mariacron, Maracujasaft und Milch und klettern hoch in das Holzhäuschen über der Rutsche.
    Jetzt müssen wir nur noch bis zwölf Uhr warten, sagt Jameelah, kippt die Müllermilch aus und rührt Mariacron, Maracujasaft und Milch mit ihren langen Fingern zusammen. Wir trinken abwechselnd Tigermilch, schauen in den Himmel und sagen gar nichts, lassen das Leben einfach vorbeitreiben, weil wir noch so viel Zeit haben, weil die Uhr erst auf 14 nach steht, das heißt noch fast 50 Minuten Leben, und das ist sehr lange. Irgendwo singt ein Vogel, voll laut, als ob er genau wüsste, wie schön er singt.
    Das ist eine Nachtigall, sagt Jameelah, von denen gibt es ziemlich viele hier, sogar mehr als in Bayern, und da soll doch so viel Natur sein, tja, von wegen.
    Ist das wieder eine von den Fragen für diesen Deutschtest?
    Nee, hab ich mal im Fenster gelesen, sagt Jameelah und bläst Zigarettenrauch in den Himmel. Hoffentlich geht alles gut.
    Klar, was soll denn bei so einem Liebeszauber schiefgehen, sage ich.
    Ich meine das mit dem Ausländeramt, du Doof, sagt Jameelah und schaut auf die Uhr, genau zwölf. Sie zieht sich ihr Spaghettitop über die Ohren, schnappt sich die Nettotüte und grinst mich an.
    Jetzt gehts los.
     
    Ich muss zugeben, dass ich mir ganz schön blöd vorkomme, wie ich da so nackt über den Spielplatz laufe und Rosenblätter hinter mir her werfe. Das mit den Rosenblättern geht ja noch, aber das mit dem Namen flüstern ist echt nervig. Wenn man Nico so oft hintereinander sagt, klingt das gar nicht mehr nach seinem Namen, richtig schwindelig wird mir davon, also streue ich irgendwann einfach nur noch Rosenblätter. Der Rasen ist vom Sommer verbrannt, er raschelt unter meinen Fußsohlen, und als ich an meinen Beinen entlang den Rosenblättern hinterherschaue, da fühle ich mich auf einmal winzig. Ich weiß nicht, ob es mit der Dunkelheit zusammenhängt oder einfach, weil ich nichts anhabe, aber hier auf dem Spielplatz, wo ich Laufen gelernt habe und Fahrradfahren und Rollschuh, da komme ich mir auf einmal vor wie zu klein für diese Welt, so als könnte man mich überall hinpacken, wie einen Staubsauger in eine dunkle Ecke stellen, ohne dass es auffällt, meinen nackten Körper einfach aus der Welt schaffen, weil der so klein und unwichtig ist.
    Jameelah hopst über den Spielplatz und dreht Pirouetten, die Rosenblätter flattern wie ein Band um sie herum. Ich muss grinsen und denke, komm, stell dich nicht so an, ist doch witzig, ich laufe zurück in die Mitte vom Sandkasten, wo die Nettotüte steht, und hoffe insgeheim, dass uns die Rosenblätter langsam ausgehen, da sehe ich, wie jemand auf den Spielplatz kommt.
    Da kommt wer, zische ich und schnappe mir die Tüte.
    Jameelah kapiert zum Glück sofort, was los ist, und so schnell wir können, laufen wir die Rutsche hinauf und suchen im Häuschen Deckung. Zuerst denke ich, da überquert einfach nur jemand den Spielplatz, stimmt aber nicht, da kommt jemand genau auf uns zu, humpelt um den Sandkasten herum, an uns vorbei zu den Bäumen und bleibt direkt unter Amirs Linde stehen.
    Jasna, flüstert Jameelah.
    Was macht die denn hier?
    Keine Ahnung.
    Unter Amirs Linde klickt ein Feuerzeug, Rauch steigt auf.
    Können wir nicht einfach gehen, sage ich, wir sind doch fertig mit Zaubern, oder?
    Lass abwarten, ob der böse Sorbe auftaucht, sagt Jameelah.
    Warum, frage ich und suche nach meinen Klamotten.
    Damit du ihm einen Stein an den Kopf werfen kannst, sagt Jameelah und grinst mich an, dann wärt ihr endlich quitt.
    Ich mag nicht mehr nackt sein, irgendwie ist es kalt, vielleicht auch nicht, jedenfalls will ich sofort wieder was anhaben, aber Jameelah flüstert, psst, da kommt wer, aber dein böser Sorbe ist es nicht, und als ich sehe, wer es ist, denke ich, jetzt ist es zu spät. Es ist Tarik, das sehe ich sofort an seinem Gang, so geht nur er, das linke Bein immer ein wenig hinter sich herziehend. Jetzt humpeln sie beide, denke ich, und dass das seltsam ist, aber irgendwie auch gar nicht, schließlich sind sie ja Geschwister.
    Kopf runter, flüstert Jameelah.
    Kurz

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